Datenschutzverordnung: Ende der Fotografie oder halb so schlimm? Von Renate Grimming, dpa
22.05.2018 05:00
Welche Folgen hat die Datenschutzgrundverordnung DSGVO für
Fotografen? Steht die Fotografie, wie wir sie kennen, vor dem Aus?
Unter Rechtsexperten läuft eine hitzige Debatte. Datenschützer warnen
vor «Panikmache» - und stützen sich dabei auf das Innenministerium.
Berlin (dpa) - Wird es nach dem 25. Mai noch Fotos von
Sportereignissen, Vereinstreffen oder Hochzeiten geben, ohne dass
sich die Fotografen dabei strafbar machen? Mit Inkrafttreten der
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sehen manche Rechtsexperten
bereits das Ende der Fotografie eingeleitet, wie wir sie kennen. Denn
ein digitales Bild der Hochzeitsgesellschaft bildet konkrete Personen
ab und erfasst weitere Metadaten wie den genauen Standort und die
Zeit der Aufnahme. Mit dem Hochladen auf eine Website erfolgt zudem
eine Datenverarbeitung. Dafür brauche es künftig eine ausdrückliche
Einwilligung jeder einzelnen Person, was in der Praxis zumindest bei
größeren Veranstaltungen quasi unmöglich sein dürfte, befürchten
Rechtsexperten. Datenschützer warnen dagegen vor überzogenen
Befürchtungen. Also alles halb so wild?
Anstelle der jeweiligen nationalen Datenschutzgesetze gilt die neue
Datenschutzgrundverordnung künftig europaweit. Als historischer
Kompromiss zwischen allen EU-Ländern entworfen, gibt sie den
rechtlichen Rahmen vor, die konkrete Ausgestaltung muss allerdings in
den jeweiligen Ländern erfolgen. In Deutschland steckte für
Fotografien bislang das Kunsturhebergesetz (KUG) die rechtliche
Ausgestaltung ab. Ob und inwieweit das KUG weiterhin gelten wird,
darüber sind sich Beobachter, Betroffene und Experten bislang jedoch
uneins.
Mit dem KUG sollten bisher die verschiedenen Interessen ausgewogen
zur Geltung kommen - also die Persönlichkeitsrechte der jeweils
Abgebildeten und das Interesse der Fotografen an der Ausübung ihres
Berufs. Bei Ereignissen wie öffentlichen Konzerten oder
Sportveranstaltungen wurde dabei zum Beispiel keine explizite
Einwilligung jedes Einzelnen verlangt, die Personen galten als
Beiwerk. Das könnte sich - so die Befürchtung - mit der neuen DSGVO
nun schlagartig ändern und damit professionellen Fotografen, aber
auch jedem Hobby-Knipser die Arbeit unmöglich machen.
Mache ich mich jetzt also potenziell strafbar, wenn ich ein Foto an
einem gut besuchten Strand mache, es auf meinen Rechner hochlade und
online stelle? Das Recht dazu drohe wegen Untätigkeit des
Gesetzgebers ab dem 25. Mai abgeschafft zu werden, schreibt
Rechtsanwalt Benjamin Horwath in einem Blogbeitrag. Denn die DSGVO
benennt dafür keine Ausnahmen, die Geltung des KUG sei nicht geklärt.
Bilder gelten demnach generell als personenbezogene Daten, sobald
eine Person identifiziert werden kann.
Wer professionell seine Fotos vertreiben will, müsste dann
grundsätzlich einen Vertrag mit jeder einzelnen Person abschließen.
«Denn Ausnahmen von der vorrangigen Geltung der DSGVO gegenüber dem
KUG sind bislang nur für die institutionalisierte Presse vorgesehen,
schreibt Horwath auf dem Fachblog «CRonline». Freie Fotografen wären
demnach direkt betroffen. Und jeder Segelclub oder Ortsverein, der
Fotos von seiner Jahresfeier veröffentlicht, würde dann gegen das
Recht verstoßen. Die Geltung des KUG für Jedermann «in rechtssicherer
Weise» sicherzustellen, habe der Gesetzgeber bislang versäumt,
kritisiert Horwath.
«Ich bin entsetzt über die ganze Panikmache» sagt dagegen Thomas
Hoeren, Professor an der Universität Münster. «KUG, Recht am eigenen
Bild, Fotografen können keine Bilder mehr machen - das ist blanker
Unsinn», ist der Medienrechtler überzeugt. Am 25. Mai drohe überhaupt
nichts. «Warum haben wir eigentlich so eine schlechte Haftung gegen
Falschberatung?» Und Michael Ronellenfitsch, hessischer
Datenschutzbeauftragter, warnt davor, auf die Horrorszenarien mancher
Anwälte hereinzufallen. «In kaum einem Bereich ist die Kenntnis so
defizitär.»
Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff spricht von
«großer Panikmache». Voßhoff ist davon überzeugt, dass mit
Inkrafttreten der DSGVO das Kunsturheberrecht weiterhin Geltung hat -
sich also im Wesentlichen auch für Fotografen nichts ändern werde.
Ihre Überzeugung decke sich auch mit den Erläuterungen des
Bundesinnenministeriums, sagte die Datenschützerin am Rande einer
Fachkonferenz in Berlin.
Durch die DSGVO ergäben sich «keine wesentlichen Änderungen der
Rechtslage bei der Anfertigung und Verbreitung von Fotografien»,
heißt es in einer Stellungnahme des BMI. Die Basis widerrufbarer
Einwilligung habe es auch vorher schon gegeben und decke seit vielen
Jahren die Tätigkeit von Fotografen ab. Für die Veröffentlichung
eines Bildes bleibe das KUG auch nach dem 25. Mai erhalten. «Die
Annahme, dass die DS-GVO dem Anfertigen von Fotografien entgegen
stehe, ist daher unzutreffend.»
Wie verhält sich also die DSGVO zum Kunsturhebergesetz nun wirklich?
«Das ist die Kernfrage, um die sich derzeit alles dreht», schreibt
die Anwaltskanzlei Wilde Beuger Solmecke. Wegen noch fehlender
Rechtssprechung bleibe eine große Unsicherheit. Die wiederum könne
Grund genug sein, dass sich vor allem Abmahn-Anwälte kräftig die
Hände reiben dürften.
Doch dass Fotografen ab dem 25. Mai eine massive Abmahn-Welle drohen
könnte, hält Günter Roland Barth, Wettbewerbs-Experte bei der Kanzlei
Clifford Chance für ausgeschlossen. «Abmahnanwälte lauern nicht wie
die Geier, weil der neue europäische Rechtsrahmen keine Grundlage
dafür bietet», sagte Barth der dpa. «Die Panik ist völlig
unbegründet.» Die DSGVO sehe vor, dass lediglich die
Aufsichtsbehörden, unmittelbar Betroffene sowie gemeinnützige Vereine
wie etwa die Verbraucherzentrale gegen mögliche Verstöße vorgehen
dürften. Das sei sehr weise gelöst.
Letztlich bleibe zu hoffen, dass am Ende nichts so heiß gegessen wie
gekocht werde und die Behörden und Gerichte in die erhitzte
Diskussion um KUG und DSGVO schnell Ruhe bringen werden, schätzt die
Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmecke.