Europas oberste Währungshüter: Die Präsidenten der EZB

28.10.2019 04:15

Frankfurt/Main (dpa) - Einführung des Euro, Finanzkrise, weltweite
Rezession und Schuldenkrise im Euroraum: Die Europäische Zentralbank
(EZB) hat zwei bewegte Jahrzehnte hinter sich. Drei Präsidenten hatte
die gemeinsame Notenbank seit ihrer Gründung im Juni 1998 - in diesem
November rückt erstmals eine Frau an die EZB-Spitze.

WIM DUISENBERG (1. Juni 1998 - 31. Oktober 2003): Die Einführung der
europäischen Gemeinschaftswährung brachte dem Niederländer den
Spitznamen «Mister Euro» ein. Seine imposante Erscheinung mit dem
weißen Haarschopf sowie sein kompromissloses Eintreten für eine
stabile Währung trugen wesentlich dazu bei, dass die Europäer dem
neuen Geld vertrauten. Duisenbergs Schlagfertigkeit war legendär.
Während seiner fünfjährigen Amtszeit schaffte er es, die EZB durch
nationale Empfindlichkeiten zu manövrieren. Gelegentlich sorgte
Duisenberg mit lockeren Bemerkungen aber auch für Verwirrung an den
Finanzmärkten. Duisenberg starb im Juli 2005 im Alter von 70 Jahren.

JEAN-CLAUDE TRICHET (1. November 2003 - 31. Oktober 2011): Rezession,
Finanzkrise, Schuldenkrise - als EZB-Präsident steuerte der Franzose
den Euroraum durch gewaltige Turbulenzen. Immer wieder musste der
frühere Chef der französischen Zentralbank heikle Entscheidungen
treffen. Dabei brach der EZB-Rat unter Trichets Führung auch Tabus:
Die Notenbank kaufte 2010 Anleihen klammer Eurostaaten wie
Griechenland, um diesen Ländern unter die Arme zu greifen. Der
inzwischen 76-jährige Trichet ist auch heute noch als Ratgeber
gefragt. Der Absolvent französischer Eliteschulen zeigt sich als
überzeugter Europäer mit viel diplomatischem Geschick.

MARIO DRAGHI (1. November 2011 - 31. Oktober 2019): Mit wenigen
Worten hat der Italiener Geschichte geschrieben. «Die EZB wird alles
tun, um den Euro zu retten», versprach Draghi im Sommer 2012:
«Whatever it takes.» Sein Machtwort kam für die am Abgrund stehende
Eurozone zur rechten Zeit. Allerdings gibt es bis heute viel Kritik
an der extrem lockeren Geldpolitik der Ära Draghi - bis hin zu
gerichtlichen Auseinandersetzungen. Denn der ehemalige
Exekutivdirektor der Weltbank (1984-1990) und spätere
Goldman-Sachs-Investmentbanker (2002-2005) zog alle Register - oft
gegen Widerstände auch aus dem Kreis der Zentralbanker.

CHRISTINE LAGARDE (ab 1. November 2019): Vor Jahren lobte die
Französin Zentralbanker als «Helden der Krise». Nun rückt sie als
erste Frau an die Spitze der EZB. Dass sie weder Ökonomin ist noch
Erfahrungen in der Führung einer nationalen Notenbank hat, ficht die
Juristin nicht an. Sie sei «keine supertolle Ökonomin», sagte Lagarde

vor einigen Jahren dem «Guardian», aber sie habe «genug gesunden
Menschenverstand». Erfahrungen auf internationaler Bühne sammelte die
frühere Synchronschwimmerin reichlich: 2007 wurde sie Wirtschafts-
und Finanzministerin ihres Heimatlandes, 2011 übernahm sie als erste
Frau die Führung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die heute
63-Jährige hat deutlich gemacht, dass sie eine lockere Geldpolitik
auf absehbare Zeit für nötig hält. Lagarde sagt aber auch: «Wir
müssen die negativen Folgen und Nebeneffekte im Blick behalten.»