«Fehl am Platz»: US-Botschafter irritiert deutsche Politiker Von Ruppert Mayr und Sophia Weimer, dpa

04.06.2018 18:04

Es ist ja nicht so, dass Deutschland und die USA keine Probleme
miteinander hätten. Und dann legt der neue US-Botschafter in Berlin
noch nach. Und das nicht zum ersten Mal.

Berlin (dpa) - Mehr als 15 Monate hatte man in Berlin auf ihn
gewartet, nun sorgt er für Unmut am laufenden Band: Der neue
US-Botschafter Richard Grenell stößt mit seinen Äußerungen, die
konservativen Kräfte in Europa stärken zu wollen, auf Unverständnis
der Bundesregierung. Diese verlangt nun von amerikanischer Seite
Aufklärung darüber, wie die in diplomatischen Kreisen ungewöhnlichen

Einlassungen Grenells zu verstehen seien. Ein Sprecher des
Auswärtigen Amtes sagte am Montag in Berlin, Grenell habe bereits an
diesem Mittwoch bei seinem Antrittsbesuch im Auswärtigen Amt
Gelegenheit, seine Äußerungen selbst einzuordnen.

Der 51-Jährige ist seit Anfang Mai US-Botschafter in Deutschland.
Angeeckt ist er aber schon mehrfach. Unmittelbar nach seinem
Amtsantritt hatte er mit der Forderung nach einem Rückzug deutscher
Unternehmen aus dem Iran für Ärger gesorgt. SPD-Chefin Andrea Nahles
etwa sagte dazu, es sei zwar nicht ihre Aufgabe, Diplomatie zu
lehren. «Aber ein bisschen Nachhilfe scheint er (Grenell) zu
gebrauchen.»

Grenell war Berater mehrerer republikanischer Politiker und von 2001
bis 2008 Kommunikationsdirektor für vier US-Botschafter bei den UN.
2010 gründete er eine Beraterfirma, Capitol Media Partners, und trat
oft beim konservativen Sender Fox News als Kommentator auf.

Schon vor seinem Amtsantritt hatte Grenell die deutsche Außenpolitik
kommentiert - per Twitter natürlich, wie es sein Präsident Donald
Trump auch zu tun pflegt. Am 13. April, kurz nach dem Militärschlag
der USA, Großbritanniens und Frankreichs als Vergeltung für einen
mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien, schrieb er: «Französische und

britische Streitkräfte schließen sich den USA beim Schlag gegen
Syrien für einen abscheulichen Chemiewaffeneinsatz gegen Zivilisten
an. Deutschland hätte sich der P3-Gruppe auch anschließen sollen.»

Nun sagte Grenell der konservativen Plattform Breitbart: «Ich denke,
die Wahl Donald Trumps hat die Menschen befähigt zu sagen, dass sie
es einfach nicht zulassen können, dass die politische Klasse (in
Europa) vor einer Wahl entscheidet, wer diese gewinnt und wer
kandidiert.» Er fügte an, er sei von einer Reihe von Konservativen in
Europa kontaktiert worden. «Ich möchte unbedingt andere Konservative
in ganz Europa stärken.» Der Aufschwung konservativer Ideen sei durch
ein Scheitern linker Konzepte zu erklären.

Vertreter der im Bundestag vertretenen Parteien kritisierten Grenell
scharf. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel twitterte: «Europas
Bürgerinnen und Bürger lassen sich von einem Trump-Vasallen nicht
sagen, wie sie wählen sollen. Ein US-Botschafter, der sich derart in
demokratische Auseinandersetzungen einmischt, ist einfach fehl am
Platz.» Der frühere SPD-Chef Martin Schulz sagte der Deutschen
Presse-Agentur, Grenell benehme sich nicht wie ein Diplomat, «sondern
wie ein rechtsextremer Kolonialoffizier». Botschafter seien Vertreter
ihrer Staaten und nicht von politischen Bewegungen.

Merkel wollte sich auf Nachfrage nicht zu Grenells Aussagen äußern
und verwies auf die geplanten Gespräche im Auswärtigen Amt.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte nach einem Treffen
mit Merkel, Grenell habe ihn um ein Treffen am Flughafen gebeten, er
komme der Bitte nach und treffe ihn «kurz». Da solle aber niemand
hinein interpretieren, dass er die Bundesregierung nicht respektiere.

Die stellvertretende Vorsitzende der Links-Fraktion, Sevim Dagdelen,
erklärte: «Mit seiner Ankündigung im rechtsextremen Internetportal
Breitbart, sich in die Politik in Europa einmischen und konservative
Kräfte stärken zu wollen, outet sich US-Botschafter Richard Grenell
als Regime-Change-Beauftragter seines Präsidenten.» Sie forderte
Außenminister Heiko Maas (SPD) auf, Grenell Amt einzubestellen und
Washingtons Einmischung in die inneren Angelegenheiten
zurückzuweisen.

Grenell übte bei Breitbart auch scharfe Kritik an Nato-Mitglied
Deutschland. Deutschland sei die größte Volkswirtschaft Europas und
sollte seine Verpflichtungen gegenüber dem Verteidigungsbündnis ernst
nehmen, sagte der von Trump entsandte Grenell in dem am Sonntag
veröffentlichten Interview. Die US-Regierung fordere dies. Doch
bislang habe Berlin keine ernsthaften Pläne vorgelegt, wie das Ziel
zu erreichen sei, spätestens 2024 zwei Prozent des
Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu stecken.

Elmar Brok (CDU), Berichterstatter des EU-Parlaments für die
Beziehungen zu den USA, kritisierte im Interview mit der «Welt»: «Die

rechten Parteien in Europa, die US-Botschafter Grenell aktiv fördern
will, sind gleichzeitig die Parteien, die antiamerikanisch sind, mit
dem russischen Präsidenten Putin zusammenarbeiten und teilweise Geld
von ihm annehmen und die gegen Sanktionen gegenüber Russland sind».
Die amerikanische Regierung müsse in dieser Angelegenheit eine
Klärung herbeiführen.

Grenell platzt mit seinen Äußerungen in die eh schon angespannten
transatlantischen Beziehungen. Seit 16 Monaten ist US-Präsident Trump
im Amt, missachtet internationale Institutionen und Abkommen und
irritiert Bündnispartner immer wieder mit - zumindest diplomatisch
ungewohnten - Äußerungen.

In der SPD wird in Bezug auf Grenell auch Kritik an
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) laut. «Bin ich der einzige, der
Spahns Andienen an den neuen umstrittenen US Botschafter, glühender
Trump Anhänger, peinlich findet?» schrieb SPD-Fraktionsvize Karl
Lauterbach am Montag bei Twitter. «Vielleicht sollte er in die US
zurück und nimmt Spahn gleich mit.» Anlass war ein bereits länger
geplantes Gespräch eines Kreises junger CDU-Abgeordneter am Sonntag,
an dem Spahn und Grenell teilnahmen. Spahn hat auch einige vorherige
Treffen mit Grenell über seinen Twitter-Account öffentlich gemacht.

Grenell veranstaltet nach «Spiegel»-Informationen am Mittwoch
kommender Woche ein Mittagessen für Österreichs konservativen Kanzler
Sebastian Kurz. Grenell hatte sich kürzlich als «Fan» von Kurz
bezeichnet.