«Ein Europa, das schützt»: Österreich übernimmt Ratspräsident schaft von Fabian Nitschmann, dpa
30.06.2018 16:13
Berge, Brotzeit und Volksmusik: Österreich hat mit viel
Heimatsymbolik inmitten der Alpen die EU-Ratspräsidentschaft
übernommen. Kanzler Kurz will künftig als Brückenbauer auftreten.
Ein Thema wird dabei dauerhaft im Mittelpunkt stehen.
Schladming (dpa) - Österreich hat mit einer großen Feier auf einem
Berggipfel bei Schladming die EU-Ratspräsidentschaft übernommen und
will in den kommenden Monaten den Zusammenhalt in der EU stärken.
«Wir wollen den Ratsvorsitz nutzen, um Brückenbauer in der EU zu
sein, Spannungen innerhalb Europas wieder abzubauen und so
sicherzustellen, dass die Europäische Union eine starke ist», sagte
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstag. Der
EU-Ratsvorsitz sei «eine große Ehre für uns, aber auch eine große
Verantwortung», erklärte der ÖVP-Politiker.
Die Alpenrepublik hat die kommenden sechs Monate unter das Motto
«Ein Europa, das schützt» gestellt. «Das Bedürfnis nach Sicherh
eit,
so alt wie die Menschheit, hat sich mit all seiner Kraft während der
Migrationskrise manifestiert», sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.
«Es ist der Job eines jeden Politikers, das Gesetz durchzusetzen, um
das Staatsgebiet und die Grenzen zu schützen.»
Sollte allerdings der Beginn dieser Ratspräsidentschaft die nächsten
sechs Monate prägen, dann dürfte es eine Zeit voller Stolpersteine
für Österreichs Kanzler werden. Zahlreiche Wolken versperrten auf der
Planai den sonst so imposanten Blick auf das Dachstein-Massiv, dann
streikte auch noch das Mikrofon. Die Bilder, die Kurz, Tusk und
Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow vom Berggipfel sendeten,
waren leicht getrübt.
Keine 24 Stunden nach einem anstrengenden EU-Gipfel gaben sich die
drei auf der 1906 Meter hohen Planai bürgernah, auf Krawatten wurde
verzichtet, ständig Hände geschüttelt. Am Ende lagen sich die drei
regelrecht in den Armen, Borissow übergab symbolisch einen EU-Wimpel
an Kurz.
Für Österreich ist es nach 1998 und 2006 die dritte
Ratspräsidentschaft, laut Kurz dieses Mal in einem schwierigen
internationalen Umfeld. Konkret nannte er Spannungen mit Russland,
eine unberechnbar gewordene Situation in den USA und die
Herausforderung des Brexits.
Im Mittelpunkt wird in den kommenden sechs Monaten aber eindeutig das
Thema Migration stehen. Europa müsse zum einen Sicherheit geben und
zum anderen den Wohlstand absichern, der in den vergangenen
Jahrzehnten geschaffen wurde, sagt Kurz.
Die österreichische Regierung befürwortet einen besseren Schutz der
Außengrenzen sowie die beim EU-Gipfel in Brüssel vereinbarten
Sammelzentren für Flüchtlinge. Kurz bezeichnete die Einigung daher
als «wichtigen Schritt in die richtige Richtung».
Am Freitagabend stellte Kurz für die kommenden Monate zudem einen
EU-Afrika-Gipfel in Aussicht. Es gebe Überlegungen in diese Richtung,
sagte er dem öffentlich-rechtlichen Sender ORF. Das Treffen könnte
demnach in der zweiten Hälfte des österreichischen Ratsvorsitzes,
also zwischen Oktober und Dezember, stattfinden. Bis dahin sei es
wichtig, dass einzelne EU-Staaten ihre Beziehungen zu afrikanischen
Ländern nutzten, um Lösungen in der europäischen Asylfrage zu finden
- etwa Italien und Libyen sowie Spanien und Marokko.
Auf der Planai spielten diese Überlegungen aber am Samstag noch keine
große Rolle. Stattdessen wurde die Übergabe der Ratspräsidentschaft
mit einem breiten Rahmenprogramm gefeiert. Die Fahrt auf den Berg ist
für die mehr als 5000 Gäste kostenlos, die Gondeln wurden zuvor mit
den Flaggen der 28 Mitgliedsstaaten bemalt. Regionale Speisen und der
«EU-Trail», ein Rundwanderweg mit Informationstafeln, vermitteln
Wissen über die EU. Und für den Abend steht im Tal ein großes Konzert
mit Auftritten von Opus, Die Seer und dem österreichischen
ESC-Teilnehmer Cesár Sampson auf dem Programm.