Flüssiges Erdgas LNG wartet noch auf den Durchbruch Von Eckart Gienke, dpa
27.07.2018 14:45
Die EU will mehr Erdgas aus den USA importieren. Das hat
EU-Kommissionspräsident Juncker zugesagt, um US-Präsident Trump im
Handelsstreit zu besänftigen. Ob diese Zusicherung eingelöst werden
kann, ist fraglich.
Hamburg (dpa) - Eine strategische Kooperation zwischen der EU und den
USA soll den Amerikanern zusätzliche Gasexporte nach Europa
ermöglichen. Doch Europa ist gut mit Erdgas versorgt. Und als
Treibstoff für Schiffe und Lkw hat sich verflüssigtes Erdgas noch
nicht durchgesetzt. US-Gas müsste deutlich günstiger werden, um sich
auf dem europäischen Markt durchzusetzen.
Um welches Gas geht es eigentlich?
Wenn im Zusammenhang mit den Absprachen von EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump von Flüssiggas die
Rede ist, dann ist das nicht ganz korrekt. Unter Flüssiggas wird in
Deutschland im allgemeinen Sprachgebrauch LPG (Liquefied Petroleum
Gas) verstanden. Das sind Gase wie Propan und Butan und deren
Gemische, die bei Raumtemperatur unter geringem Druck flüssig
bleiben. Die meisten kennen Flüssiggas als Autogas oder Campinggas.
Zwischen USA und EU geht es um LNG (Liquefied Natural Gas). Das ist
Erdgas, das bei superkalten Temperaturen von minus 162 Grad Celsius
verflüssigt wird und damit einen Großteil seines Volumens verliert.
Es kann dann mit Spezialtankern transportiert und am Zielort wieder
in den gasförmigen Zustand umgewandelt oder direkt als Treibstoff und
Energieträger eingesetzt werden.
Warum wollen die USA mehr Erdgas exportieren?
Die USA sind mit einer Produktion von 734,5 Milliarden Kubikmetern im
vergangenen Jahr größter Erdgasproduzent der Welt, vor Russland und
dem Iran. Damit sind die USA fast autark; sie importieren lediglich
noch etwas größere Gasmengen per Pipeline aus Kanada. Sie haben ihre
Gasproduktion kräftig ausgeweitet, auch mit Hilfe der umstrittenen
Fracking-Technologie, und stehen an der Schwelle zum Netto-Exporteur.
Im vergangenen Jahr haben die USA ihre LNG-Exporte von 4,3 auf 17,4
Milliarden Kubikmeter gesteigert. Davon gingen 2,6 Milliarden
Kubikmeter nach Europa und gar nichts nach Deutschland. Die USA
liefern zu den globalen Hauptabnehmern in Asien und zum Nachbarn
Mexiko.
Mittelfristig könnten die USA über erhebliche überschüssige Gasmeng
en
verfügen, für die sie aufnahmefähige Märkte suchen - auch in Europa
.
In den USA gibt es bislang erst ein LNG-Exportterminal am Golf von
Mexiko. Weitere sind geplant und sollen im nächsten Jahr fertig
werden. Durch den Gasboom ist Erdgas in den USA nur halb so teuer wie
in Europa, in Asien lassen sich noch höhere Preise erzielen. Mit mehr
Gasexporten könnte sich auch die US-Handelsbilanz verbessern.
Andererseits verteuert die Umwandlung in LNG das Erdgas erheblich und
hebt die Kostenvorteile damit auf.
Können die Europäer zusätzliches Gas aus den USA gebrauchen?
Zwei Drittel des Bedarfs der EU werden importiert, vor allem aus
Russland, Norwegen, Katar und Algerien. Durch den gerade begonnenen
Bau der Pipeline Nord Stream 2 wird zusätzliches russisches Gas nach
Europa kommen. Der größte Gasimporteur weltweit ist Deutschland, das
aus Russland, Norwegen und die Niederlanden versorgt wird. Doch die
hohe Abhängigkeit von Russland wird immer wieder als problematisch
angesehen. LNG - egal aus welchem Land - könnte diese Abhängigkeit
mindern.
«LNG kann zu einer weiteren Diversifizierung und Flexibilisierung der
Importquellen für Erdgas in Europa beitragen», sagt Stefan Kapferer,
Hauptgeschäftsführer beim Verband der Energie- und Wasserwirtschaft.
Ist amerikanisches Gas in Europa konkurrenzfähig?
Das ist die 1000-Dollar-Frage. Pipeline-Gas ist im Nahbereich in der
Regel günstiger. «Aktuell ist Flüssigerdgas im Vergleich zu anderen
Gasquellen für uns nicht wettbewerbsfähig», sagt Thomas Kusterer,
Finanzvorstand beim Energieversorger EnBW.
Gibt es in Deutschland eine Infrastruktur für LNG?
Bislang kaum. LNG lässt sich nicht nur ins Gasnetz einspeisen,
sondern kann auch direkt als Kraftstoff für Schiffe und schwere Lkw
eingesetzt werden. Da vor allem die Schifffahrt ihre Umweltbilanz
verbessern muss, ist LNG als Schiffstreibstoff der Zukunft im
Gespräch. Zumindest neue Kreuzfahrtschiffe können mit LNG fahren,
auch einige Fähren. Und die ersten Containerriesen mit LNG-Antrieb
sind in Auftrag gegeben.
Mehrere Standorte bemühen sich um ein LNG-Importterminal, vor allem
Brunsbüttel in der Elbmündung und Wilhelmshaven. Die Vorbereitungen
in Brunsbüttel sind weit gediehen, doch eine definitive Entscheidung
über das 450-Millionen-Euro-Projekt wird erst in einem Jahr fallen.
Bis dahin wird der LNG-Bedarf in Deutschland über Importterminals in
Rotterdam und Zeebrugge gedeckt.