EU-Kritiker Orban stellt Gemeinsamkeiten mit Turkstaaten heraus

03.09.2018 18:33

Ungarns starker Mann fällt schon seit längerem mit Ansagen auf, die
ihn in die Nähe der völkischen Rechtspopulisten rücken. Im fernen
Zentralasien vermeint er nun, den Ursprungsort der Magyaren entdeckt
zu haben.

Tscholpon-Ata (dpa) - Ungarns EU-kritischer Ministerpräsident Viktor
Orban stellt die angeblichen Gemeinsamkeiten seines Landes mit den
meist autoritär regierten turksprachigen Ländern heraus. Der
rechts-nationale Politiker nahm am Montag in Kirgistan in
Zentralasien an einem Gipfel des Kooperationsrates der turksprachigen
Staaten teil.

«Die Ungarn betrachten sich als späte Nachfahren des (Hunnenkönigs)
Attila (aus der Völkerwanderungszeit). Sie stehen auf der Grundlage
des hunnisch-turkvölkischen Ursprungs, ihre Sprache ist mit den
Turksprachen verwandt», sagte Orban nach Angaben der staatlichen
ungarischen Nachrichtenagentur MTI aus.

Die Aussagen des Regierungschefs stießen in Ungarn auf Befremden.
Sprachwissenschaftlich ist es erwiesen, dass die ungarische Sprache
der Familie der finno-ugrischen Sprachen und nicht der der
Turksprachen angehört. In rechten und nationalistischen Kreisen
Ungarns wird aber diese Erkenntnis seit dem 19. Jahrhundert
bestritten. Die Anhänger des sogenannten «Turanismus» glauben, dass
die heutigen Ungarn von den sagenumwobenen Hunnen der
Völkerwanderungszeit abstammen und sowohl abstammungsmäßig als auch
sprachlich mit den Turkvölkern Zentralasiens verwandt seien.

Wissenschaftlich sind diese Ansichten nicht haltbar. Zwar erhalten
ihre Anhänger in den von Orban und seinen Geschäftsleuten
kontrollierten Medien häufig eine Bühne. Doch war es am Montag das
erste Mal, dass sich Orban eindeutig zu dieser
pseudo-wissenschaftlichen These bekannte. «In dem von Orban
erträumten «Magyaristan» setzen augenblickliche politische und
wirtschaftliche Interessen selbst wissenschaftliche Fakten außer
Kraft», schrieb die oppositionelle Tageszeitung «Nepszava» am Montag

auf ihrer Webseite.

Am Präsidentengipfel in Tscholpon-Ata am See Issyk-Kul nahmen auch
der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Kollegen aus
Kirgistan, Kasachstan, Usbekistan und Aserbaidschan teil. Ungarn
erhielt in der Organisation einen Status als Beobachter. Der
kirgisische Präsident Sooronbai Scheenbekow lobte, dass Ungarn an
seinem historischen Zusammenhang mit den Turkvölkern festhalte. Orban
pries wiederum die Turkvölker, die in der modernen Welt ihre Sprache,
Kultur und Tradition bewahren würden. «Nur ein Volk, das stolz ist
auf seine nationale Identität, kann stark sein», fügte er hinzu.

Äußerer Anlass des Präsidententreffens waren die Weltnomadenspiele.
Etwa 2000 Sportler aus 80 Ländern messen sich in Disziplinen wie
Reiten, Bogenschießen oder Ringen, die für Nomaden und Hirten wichtig
sind.