) Systematisch sympathisch: Manfred Weber will an die EU-Spitze Von Marco Hadem und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

24.04.2019 06:47

Brüssel/München (dpa) - Athen, die Wiege der europäischen Demokratie:

Manfred Weber hat eine symbolträchtige Kulisse für den Auftakt seiner
heißen Wahlkampfphase gewählt. Dort gab der CSU-Politiker und
Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) jetzt seine «zwö
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Zusagen» an die Europäer - vom EU-Grenzschutz bis zum Wohndarlehen,
vom europäischen FBI bis zum Kampf gegen den Krebs.

Das ist das Programm des 46-Jährigen, falls er im Herbst als
Nachfolger von Jean-Claude Juncker Präsident der EU-Kommission wird.
Der EVP-Fraktionschef wäre der erste Deutsche in dem Amt seit Walter
Hallstein vor mehr als 50 Jahren. Das trifft durchaus auf Gegenwehr.
Doch der Niederbayer setzt darauf, dass die EVP nach der Wahl Ende
Mai wieder stärkste Fraktion wird und er demokratisch legitimiert
wäre.

Sympathisch, aber systematisch hat der studierte Ingenieur diese
Kandidatur über Jahre vorbereitet. Der verheiratete Katholik wurde
nach einer kurzen Etappe im Bayerischen Landtag 2004 erstmals ins
Europaparlament gewählt. Zehn Jahre später wurde er Fraktionschef und
managte fortan mehr als 200 Abgeordnete aus der ganzen EU, obwohl er
recht bayrisches Englisch und sonst keine Fremdsprache spricht.

In der CSU konnten erstmal nur wenige verstehen, dass der Mann aus
Wildenberg freiwillig seine Heimat Bayern verließ, um im fernen
Brüssel Karriere zu machen. Doch Webers Ehrgeiz brachte ihn auch in
der Partei nach oben: 2015 wurde er ihr Vizechef. Seit die EVP ihn im
November zum Spitzenkandidaten kürte, ist die CSU im Weber-Fieber.
Das gilt selbst für frühere Konkurrenten wie Parteichef Markus Söder

oder Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Weber - zuhause bisweilen im Janker, in Brüssel oft im weißen Hemd
ohne Kravatte - ist kein Freund offener Auseinandersetzungen. Der
Stratege kämpft lieber im Hintergrund für seine Ziele. Anhänger
bewundern ihn als Strippenzieher, Gegner werfen ihm einen Hang zu
Intrigen vor. Wenn es für ihn brenzlig wird, greift Weber durch, zum
Beispiel bei der Suspendierung der Fidesz-Partei des EU-kritischen
Ungarn Viktor Orban in der EVP.

Weber, früher einmal Frontman einer Rockband namens Peanuts, ist
längst aus der Kulisse getreten auf die offene Bühne. Wochenlang
durchkreuzte er auf «Zuhörtour» die EU von Zypern bis ins Baltikum.
Sein größtes Manko - fehlende Regierungserfahrung - münzte er um in
Volksnähe. «Ich will Europa den Menschen zurückgeben», ist sein
Wahlkampfmotto.

Was Europa genau von dem Deutschen zu erwarten hätte, dürften
trotzdem die wenigsten der gut 500 Millionen EU-Bürger wissen. Offen
ist auch, wie er die Widerstände einiger Staats- und Regierungschefs
bei der Nominierung als Kommissionschef überwinden und eine Mehrheit
im neuen EU-Parlament finden will. Aber es hieße Weber unterschätzen,
nähme man an, er hätte nicht auch dies strategisch geplant.