Griechenland arrangiert sich mit Neuwahlen Von Alexia Angelopoulou und Takis Tsafos, dpa
27.05.2019 15:26
Jubel über den «Alexit» auf der einen, Ernüchterung auf der anderen
Seite: Ganz Griechenland diskutiert die Entscheidung des linken
Premiers Tsipras für Neuwahlen. Die Börse ging schon mal kräftig ins
Plus.
Athen (dpa) - Die Europawahl ist für Griechenland passé - am Tag
danach ging es vor allem um die Neuwahlen, die Ministerpräsident
Alexis Tsipras angesichts seiner massiven Wahlniederlage am Sonntag
angekündigt hatte. Der konsequente Schritt des linken Premiers
nötigte selbst Konservativen und Kritikern Respekt ab. Die Wirtschaft
reagierte unverblümt: Im Laufe des Montags stieg der griechische
Aktienindex Athex zwischenzeitlich um 6,1 Prozent. Die konservative
Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) gilt als wirtschaftsfreundlich.
Sie hatte die linke Syriza von Tsipras bei der Europawahl geschlagen.
«Endlich Ende!», jubelte am Montag die oppositionsfreundliche Zeitung
«Ta Nea». Die Boulevardpresse verkündet den «Alexit», die
Tageszeitung «Kathimerini» sah in der Europawahl «ein starkes Signal
zum Kurswechsel».
Am Sonntagabend hatte der griechische Premierminister Alexis Tsipras
Neuwahlen angekündigt. Seine linke Regierungspartei Syriza war bei
der Europawahl auf 23,8 Prozent abgesackt, die konservative
Oppositionspartei Nea Dimokratia hingegen kam auf 33,2 Prozent.
Der Premier, da ist die griechische Presse sich einig, hat bei den
Wählern vor allem wegen der rabiaten Sparmaßnahmen und Reformen
verspielt, die er während der vergangenen vier Jahre umgesetzt hat.
Ein Kinderspiel ist die anstehende Wahl, die voraussichtlich am 30.
Juni stattfinden wird, für den Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis
dennoch nicht. Man dürfe sich jetzt nicht zurücklehnen, sondern müsse
den Wählern auch in den kommenden Wochen noch mal genau erklären,
wofür die Konservativen stehen, heißt es Medienberichten zufolge aus
der Parteizentrale der Nea Dimokratia.
Der konservative Spitzenkandidat steht vor allem für ein
wirtschaftsfreundlicheres Klima. Er will Investitionen in
Griechenland vereinfachen und die Privatisierung von Staatseigentum
vorantreiben.
Bisher scheuten Investoren das Land vor allem wegen der Bürokratie
und der hohen Steuern. Mitsotakis will unter anderem die Steuern für
Unternehmen von 28 auf 20 Prozent senken. Und zwar in einem Zeitraum
von vier Jahren, damit die internationalen Gläubiger des Landes nicht
in Sorge geraten. «Nur der Aufschwung bringt uns bessere Löhne und
höhere Renten», hatte er am Freitag vor der Europawahl gesagt.
In der Wirtschaft ist diese Nachricht angekommen: Der Börsenindex
Athex drehte am Montag zwischenzeitlich um 6,1 Prozent ins Plus.
Zugleich ließ die Aussicht auf Neuwahlen den dortigen
Kapitalmarktzins auf ein Rekordtief fallen. Am Montag sank der Zins
für griechische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren bis
auf 3,02 Prozent. Das ist der tiefste Stand, der jemals von der
Nachrichtenagentur Bloomberg, die zugleich ein Anbieter von
Marktdaten ist, gemessen wurde. Die Daten reichen zurück bis ins Jahr
1998.