Hunger auf Steak und Soja befeuert Brände im Amazonasgebiet Von Denis Düttmann, dpa

24.08.2019 11:31

Brasiliens Regenwälder sind zum Spielball der Agrarkonzerne geworden.
Wo heute die Feuer wüten, weiden morgen Rinder. Damit sind auch die
Verbraucher in Deutschland für die Gefährdung des Amazonasgebiets
mitverantwortlich. Den größten Appetit allerdings haben die Chinesen.

Rio de Janeiro (dpa) - Die Bilder vom brennenden Regenwald in
Brasilien lösen auf der ganzen Welt Betroffenheit aus. Zwar wüten die
Feuer Tausende Kilometer von Deutschland entfernt, dennoch hat die
Katastrophe auf der anderen Seite des Atlantiks auch mit dem
Konsumverhalten in Europa zu tun. Vor allem der Heißhunger auf
saftige Steaks und herzhafte Koteletts befeuert die Abholzung und
Brandrodung großer Flächen im Amazonasgebiet.

«Natürlich hat auch unser Handeln in Deutschland viel mit dem Verlust
des Regenwaldes zu tun», sagt der Professor für
Welternährungswirtschaft an der Universität Göttingen, Matin Qaim.
«Zum Beispiel importieren wir große Mengen Soja als Futtermittel für

unsere Rinder und Schweine, und der steigende Sojaanbau trägt in
Brasilien mit zur Regenwaldrodung bei.»

Das Amazonasgebiet ist ein faszinierendes Ökosystem und die grüne
Lunge der Welt, aber eben auch ein gigantischer Ressourcenschatz, der
Begehrlichkeiten weckt: Im Regenwald lässt sich gutes Geld verdienen
mit Rindfleisch und Soja, Energie und Gold. Laut einer Studie der
Weltbank können gerade Landwirte im Amazonasgebiet deutlich
profitabler wirtschaften als in anderen Regionen.

Nach Einschätzung von Umweltschützern haben Farmer die jüngsten
Brände im Amazonasgebiet gelegt, um neue Weideflächen für ihre
Viehherden oder Felder für den Sojaanbau zu schaffen. Üblicherweise
werden bereits gerodete Waldflächen angezündet, um das Unterholz und
die Baumstümpfe zu verbrennen, wie die Naturschutzorganisation
Greenpeace erklärt. Weil es derzeit in der Region ungewöhnlich
trocken ist, greifen die Brände auch auf noch intakte Waldflächen
über und breiten sich immer weiter aus.

Die Welternährungsorganisation FAO macht die Umwandlung in Weideland
für 80 Prozent der Verluste an Regenwald in der Amazonasregion
verantwortlich. In den vergangenen Jahren ist die Fleischproduktion
in Brasilien explodiert - rund 200 Millionen Rinder leben heute in
dem größten Land Südamerikas. Die Exporte stiegen laut einer Analyse

der Organisation Foodwatch in den vergangenen 14 Jahren um mehr als
700 Prozent. Heute ist Brasilien der größte Rindfleischexporteur der
Welt.

Was auf den riesigen Weiden und Feldern in Brasilien angebaut wird,
landet auch in Europa auf den Tellern. Nach Angaben der EU-Kommission
ist Brasilien der größte Exporteur landwirtschaftlicher Produkte in
die Europäische Union. Im vergangenen Jahr verkaufte Brasilien
Agrarerzeugnisse im Wert von 14,5 Milliarden Euro an die EU. Durch
das kürzlich vereinbarte Freihandelsabkommen zwischen dem
südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur und der Europäischen
Union könnten es in Zukunft sogar noch mehr werden.

«Deutschland und die Europäische Union machen sich mit ihrer
Unterschrift unter das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten
an den verheerenden Waldbränden mitschuldig», sagt der
Brasilien-Referent des katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat,
Klemens Paffhausen. «Die versprochenen niedrigeren Zölle auf Importe
von Rindfleisch und Soja aus Südamerika führen zu mehr Abholzung und
mehr Anbauflächen.»

Frankreich und Irland drohen nun, das Mercosur-Abkommen angesichts
der massiven Abholzung im brasilianischen Regenwald zu blockieren.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) verlangte Schutzgarantien
für das Amazonasgebiet. Auch die EU-Kommission will über den
Mercosur-Deal Druck auf die Regierung des brasilianischen Präsidenten
Jair Bolsonaro ausüben.

Die EU ist der drittwichtigste Absatzmarkt für brasilianisches
Rindfleisch. Nach Angaben des Verbands der brasilianischen
Fleischexporteure (ABIEC) gingen im vergangenen Jahr rund 118 000
Tonnen Rindfleisch im Wert von 640 Millionen Euro in die EU.
Allerdings liegen die Europäer weit hinter den Hauptabnehmern China
und Hongkong zurück. Nach Deutschland gingen zuletzt nur rund 5 700
Tonnen Rindfleisch aus Brasilien.

Noch viel wichtiger ist das Geschäft mit Soja. Mittlerweile ist
Brasilien der zweitgrößte Produzent der grünen Bohne. Zuletzt wurden

in dem südamerikanischen Land 117 Millionen Tonnen Sojabohnen
geerntet. Auch hier geht der Löwenanteil nach China - und es könnten
wegen des Handelskonflikts zwischen Peking und Washington noch mehr
werden.

Um etwas gegen die Abholzung von Regenwald für neue Acker- oder
Weideflächen zu tun, sollten nach Ansicht des Klimaforschers Richard
Fuchs vom Karlsruher Institut für Technologie die Verbraucher zur
Kasse gebeten werden. «Der Fleischkonsum muss sinken», sagt er
kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. «Die EU-Staaten könnten
Fleisch von Tieren, die mit Soja aus Regenwaldgebieten gemästet
werden, pauschal besteuern. Damit würden die ökologischen Folgekosten
mit eingepreist.»