Ungarn will keine Entschädigungen an Häftlinge mehr zahlen

15.01.2020 15:44

Budapest (dpa) - Ungarn will künftige keine Entschädigungen an
Häftlinge mehr zahlen, die diesen wegen der unzureichenden
Haftbedingungen in den Gefängnissen des Landes zustehen. «Der
ungarische Staat hat die Auszahlung von Entschädigungen ausgesetzt,
die Verbrechern zugesprochen wurden, die im Gefängnis sitzen», sagte
der Staatssekretär im Ministerpräsidentenkabinett, Bence Tuzson, am
Mittwoch im regierungsnahen Nachrichtensender Hir TV. Derartige
Entschädigungen setzen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

(EGMR) oder ungarische Gerichte fest.

Insgesamt handle es sich um 12 000 Verfahren, sagte der
Staatssekretär. «Es ist bekannt, dass man solche Prozesse am
laufenden Band gewinnen kann», meinte er. Rechtsanwälte und
Zivilorganisationen hätten darauf «ein Geschäftsmodell begründet»
.
Die Regierung wolle dem ein Ende setzen und eine Diskussion mit dem
Europarat und dem Europäischen Parlament darüber anstoßen, ob
verurteilten Verbrechern bloß wegen schlechter Gefängnisumstände
überhaupt ein Schadenersatz zustehen soll. 

Ministerpräsident Viktor Orban und seine Regierung loten immer wieder
die Grenzen des Rechtsstaats aus und überschreiten sie nach Ansicht
von Kritikern. Gegen Ungarn läuft in der EU wegen mutmaßlicher
Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit ein Grundwerteverfahren.
Theoretisch kann dieses mit dem Verlust der Stimmrechte in der EU
enden.