EU-Sozialkommissar will Missstände in deutschen Schlachthöfen stoppen

15.06.2020 05:35

Brüssel (dpa) - EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit hat sich entsetzt
über die Missachtung von Arbeitnehmerrechten in deutschen
Fleischfabriken geäußert. Falls nötig werde man mit einer neuen
Richtlinie eingreifen, sagte Schmit in einem Interview der Deutschen
Presse-Agentur in Brüssel. «Es kann nicht sein, dass es in Europa
eine ganze Kategorie von Arbeitern gibt, die jenseits von allen
Rechten sind», sagte der luxemburgische Sozialdemokrat.

Zu einem Bericht über Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten und
Unterbringung von osteuropäischen Arbeitern in deutschen
Schlachthöfen sagte er: «Ich war entsetzt.» Das sei lange igoriert
worden, doch in der Corona-Krise aufgeflogen, als in
Schlachtbetrieben zahlreiche Infektionen auftraten. Das Problem gebe
es aber nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise auch bei
Saisonarbeitern in Südeuropa.

«Das ist nicht ist das, was wir im Pfeiler der sozialen Rechte
ausgemacht haben», sagte Schmit mit Blick auf eine EU-Vereinbarung
vom November 2017, die Arbeitnehmern grundlegende Rechte und faire
Löhne zusichert. «Es kann nicht solche Löcher in diesem Pfeiler
geben, dass diese Menschen überhaupt nicht sozial abgedeckt sind.»
Viele Saisonarbeiter, Werkarbeiter oder Scheinselbständige seien
nicht von der EU-Entsenderichtlinie geschützt.

«Wir brauchen da Klärung», sagte Schmit. Er begrüße, dass sich di
e
Bundesregierung damit beschäftige. Sozialminister Hubertus Heil habe
zugesagt, während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft von Juli bis
Dezember etwas zu tun. Auch das Europaparlament habe sich
eingeschaltet und werde diese Woche über das Problem debattieren.

«Wir müssen also sehen: Brauchen wir eine Richtlinie - da bin ich
ganz dafür - oder müssen wir nur einfach sicherstellen, dass sich
Sozialrecht und Arbeitsrecht auf diese Menschen appliziert und dass
Kontrollen stattfinden», sagte Schmit. «Das werden wir sehr eng
verfolgen und auch sehen, dass es hier keinen arbeitsrechtlichen
Leerraum geben darf. Das sage ich für Deutschland, das sage ich aber
auch für alle anderen Mitgliedsstaaten, die viele Saisonarbeiter
haben.»