Tätowierer kritisieren geplantes Tattoofarben-Verbot der EU Von Taylan Gökalp, dpa

21.10.2020 08:00

Die Farbpigmente Blau 15 und Grün 7 sind aus Tattoostudios kaum weg
zu denken. Die EU will sie dennoch vom Markt nehmen. Die Gründe
klingen zunächst plausibel.

Brüssel/Berlin (dpa) - Die einen nennen es Kunst, die anderen eine
Gefahr für den Körper, aber den wenigsten ist das Thema egal:
Tätowierte Haut ist auch ein Politikum. Zwei Farbpigmente, die sich
besonders oft auf der Haut von Tattoo-Liebhabern finden, könnten bald
verboten sein: Blau 15 und Grün 7. Ein entsprechender Vorschlag der
Europäischen Chemikalienagentur Echa soll in den nächsten Wochen von
der EU-Kommission verabschiedet werden, wie es aus EU-Kreisen heißt.
Für Tätowierer könne ein Verbot existenzgefährdend sein, sagt Gordo
n
Lickefett vom Bundesverband Tattoo.

Schätzungsweise zwölf Prozent aller Europäer sind tätowiert, darunt
er
auch eine deutlich steigende Zahl von Jugendlichen, wie es aus
EU-Kreisen heißt. Einheitliche Regeln über die in Tätowiermitteln
enthaltenen Stoffe gibt es bisher hingegen nicht. Der Vorschlag der
Echa sieht vor, mehr als 4000 bedenkliche Substanzen bei
Tattoo-Farben und permanentem Make-up zu beschränken. Darunter auch
die Farbpigmente Blau 15 und Grün 7, die in zwei Dritteln aller
Tätowierfarben enthalten sind.

Die Echa moniert nach Angaben eines Sprechers vor allem, dass es
nicht genug Informationen gebe, die den sicheren Gebrauch der
Pigmente garantierten. Hinzu kommt, dass sowohl Blau 15 als auch Grün
7 in bestimmten Kosmetika bereits verboten sind. Die Echa
argumentiert, dass ein Stoff, der auf der Haut verboten ist, unter
der Haut nicht erlaubt sein dürfe.

Gordon Lickefett hält diese Argumentation für falsch. Er wirft der
Echa vor, sich nicht genügend mit der Sachlage befasst zu haben.
Bevor man einer Branche die Arbeitsmittel verbiete, hätte man für die
beiden Pigmente zunächst Sicherheitsdossiers erstellen sollen. «Erst
wenn die Sicherheitsdossiers erstellt wurden und die Pigmente
labortechnisch genauestens untersucht wurden, weiß man ob die
Pigmente gefährlich sind oder nicht», sagt Lickefett.

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung BfR betrachtet die
Datenlage zu den beiden Pigmenten als unvollständig, wie es in einer
Stellungnahme schreibt. Dort heißt es jedoch auch: «Beide Pigmente
weisen eine geringe akute Toxizität auf.» Laut BfR werden beide
Pigmente seit über zehn Jahren in Tätowiermitteln eingesetzt, ohne
dass Auffälligkeiten bekannt seien. «In der Literatur gibt es keine
Berichte über Allergien oder Irritationen auf diese Pigmente.»
Berücksichtigt werden müsse auch, dass bei einem Verbot von Blau 15
und Grün 7 möglicherweise noch weniger gut untersuchte Ersatzstoffe
zum Einsatz kämen, die eventuell noch gesundheitsschädlicher sein
könnten, aber nicht vom Verbot erfasst sind.

Der Hautarzt Gerd Kautz findet, dass die Forderung nach validen
Studien am Thema vorbeigeht. «Da muss es keine Studien geben, wie
viel Prozent es betrifft. Wenn an der Sache nur einer stirbt, reicht
es schon aus», sagt der Sonderreferent für Lasertherapie beim
Berufsverband der Deutschen Dermatologen.

Kautz schlägt vor, dass Tätowierer nur noch Farbpigmente zum Beispiel
auf Grundlage von Kohlenstoff verwenden oder nur Pigmente benutzen
die auch für die Anwendung auf der Haut zugelassen sind. «Kohlenstoff
ist eine Substanz, die ohnehin in unserem Körper ist, damit können
wir leben. Oder es müssen Farbstoffe sein, die auch für die Einnahme
im Körper zugelassen sind. Hier ist die Farbindustrie gefordert.» In
seiner Laserpraxis hat Kautz nach eigenen Angaben jedes Jahr 10 bis
15 Patienten, die gesundheitliche Probleme nach Tätowierungen hätten.

Aber welche Auswirkungen hätte es auf die Gestaltung der Motive, wenn
es Blau 15 und Grün 7 nicht mehr gebe? Gordon Lickefett ist sich
sicher, dass Tätowierungen farbloser und einzelne Tattoostile gar
nicht mehr möglich wären. Einer der beliebtesten Farbstile, der
Farbrealismus, sei nach Inkrafttreten der Beschränkungen nicht mehr
zu tätowieren. «Aber auch andere Stilrichtungen, wie beispielsweise
der asiatische Tattoostil, in denen grüne und blaue Farben eine
fundamentale Rolle spielen, werden nicht mehr möglich sein», sagt
Lickefett. Hinzu käme, dass auch andere Inhaltsstoffe durch die
Beschränkung derart in ihrer Menge limitiert würden, dass ihre
Wirkung verloren ginge. «Daraus resultiert ein extremer
Qualitätsverlust der Farben hinsichtlich Haltbarkeit und
Farbbrillanz.»

Für die Echa stehen die grundsätzlichen gesundheitlichen Risiken von
Tattoofarben außer Frage. Es gehe jedoch nicht um ein Verbot von
Tätowierungen, sondern darum, das Tätowieren sicherer zu machen,
sagte ein Sprecher. «Die gefährlichen Chemikalien in den Farben
können zum Beispiel schädliche Hauteffekte verursachen.» Denkbar
seien auch gesundheitliche Folgewirkungen, die lebenslang andauern
könnten. «68 Prozent der tätowierten Menschen haben nachgewiesene
Hautprobleme, 6 Prozent davon berichten von dauerhaften
Hautsymptomen.» Von den Beschränkungen erwartet Echa deshalb klare
gesundheitliche Vorteile, ohne bedeutende wirtschaftliche
Auswirkungen.

Bis zum 18. Oktober wurde der Entwurf für die von der Echa
vorgeschlagenen Beschränkungen von EU-Parlament und dem Rat der
EU-Staaten geprüft, wie es aus EU-Kreisen hieß. Im nächsten Schritt
soll das Verbot von der EU-Kommission verabschiedet werden. Der
Entwurf sieht jedoch eine Übergangszeit von zwei Jahren für die
Branche vor, um Alternativen für die beiden Pigmente zu finden.