Corona-Hoffnung und Klima-Zwist: Der zweite Tag beim EU-Gipfel

25.05.2021 18:08

In den vergangenen Monaten war die Stimmung bei EU-Gipfeln mit Blick
auf Corona meist düster. Nun hellt sich die Lage auf. Doch bei einem
anderen Thema gibt es noch ziemlich viel Redebedarf.

Brüssel (dpa) - Rascher Fortschritt beim Impfen in der Europäischen
Union macht Hoffnung auf baldige Corona-Lockerungen und einfacheres
Reisen. Bis Ende des Monats soll fast jeder zweite Erwachsene in der
EU mindestens einmal geimpft sein, wie EU-Kommissionschefin Ursula
von der Leyen am Dienstag beim EU-Gipfel in Brüssel berichtete.
EU-Ratschef Charles Michel sprach von vorsichtigem Optmismus. Bereits
am Vortag hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Kollegen sich
auf ein neues Sanktionspaket gegen Belarus verständigt. In der
Klimapolitik sind die Differenzen groß.

TEMPO BEIM IMPFEN UND EINE 100-MILLIONEN-SPENDE

Die Stimmung mit Blick auf die Pandemie hat sich im Vergleich zu den
vorigen Treffen der EU-Staats- und -Regierungschefs aufgehellt. Seit
Anfang Mai habe man großen Fortschritt gemacht, sagte von der Leyen
nach Gipfelende. Das liegt vor allem an mehr Impfstoff. Bis 30. Mai
werden in der EU von der Leyen zufolge etwa 300 Millionen Dosen
Corona-Impfstoff ausgeliefert und davon 245 Millionen verabreicht
worden sein. Im zweiten Quartal, von April bis Juni, sollen insgesamt
413 Millionen Dosen an die EU-Staaten gehen, in den drei Folgemonaten
sogar zusätzliche 529 Millionen. Von der Leyen bekräftigte das Ziel,
bis Ende Juli mindestens 70 Prozent der Erwachsenen in der EU
zumindest einmal gegen Covid-19 zu impfen.

Angesichts der Impferfolge seien nun wieder schrittweise Öffnungen
möglich, heißt es in der Gipfelerklärung. Dennoch sei wegen der
Virusvarianten Wachsamkeit gefordert. Zugleich sagte der Gipfel bis
Ende des Jahres eine Spende von mindestens 100 Millionen Impfdosen an
ärmere Länder zu. Deutschland wird 30 Millionen Dosen besteuern.

MINUS 55 PROZENT BIS 2030 BEIM KLIMASCHUTZ - ABER WIE?

Das EU-Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent im
Vergleich zu 1990 zu drücken, steht seit Ende vergangenen Jahres. Der
Weg dorthin ist jedoch umstritten. In einer Grundsatzdebatte
diskutierten die Staats- und Regierungschefs am Dienstagnachmittag
stundenlang. Daran soll sich die EU-Kommission orientieren bei ihrem
großen Gesetzespaket «Fit für 55» im Juli. Von der Leyen betonte na
ch
dem Gipfel, sie habe sehr aufmerksam zugehört. Den Gipfelteilnehmern
skizzierte sie ein neues CO2-Preissystem für Verkehr und Gebäude.
Soziale Auswirkungen müssten dabei unbedingt kompensiert werden -
sonst funktioniere es nicht, sagte von der Leyen.

Richtig losgehen dürfte der Streit zwischen den EU-Staaten erst,
nachdem die EU-Kommission ihre Vorschläge präsentiert hat. Merkel
stellte in Brüssel klar: «Deutschland ist in Vorleistung getreten,
wir haben unsere nationalen Ziele verschärft und wollen
Klimaneutralität bereits bis 2045 erreichen.» Allerdings war die
Bundesregierung durch ein Verfassungsurteil zum Nachbessern der
Klimapolitik verdonnert worden.

Ein substanzieller Beschluss zum Thema Klima gelang beim Gipfel
nicht. Auf den Entwurf, der zumindest Eckpunkte zur Verteilung der
Klimalasten vorsah, konnten die EU-Staaten sich nicht einigen. Am
Ende blieb nur die Wiederholung bereits vereinbarter Klimaziele. Und
der Aufruf an andere Länder, ihre Ambitionen zum nächsten Klimagipfel
in Glasgow im November anzuheben.

NEUES SANKTIONSPAKET GEGEN BELARUS

Nach der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs in Minsk
reagierten die EU-Staaten am Montagabend ungewöhnlich schnell und
geschlossen. Bereits am ersten Gipfeltag brachten sie ein
umfangreiches Sanktionspaket gegen die ehemalige Sowjetrepublik auf
den Weg. Unter anderem sollen Luftraum und Flughäfen der EU für
belarussische Fluggesellschaften gesperrt werden. EU-Fluglinien
sollen Belarus nicht mehr überfliegen. Zudem sind Strafmaßnahmen
gegen weitere Personen und Firmen aus Belarus geplant. Auch fordert
die EU geschlossen die Freilassung des Bloggers Roman Protassewitsch
und seiner Freundin.

Unverzüglich in Kraft treten die Maßnahmen gegen Belarus allerdings
nicht. So soll der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zunächst
Vorschläge für Wirtschaftssanktionen vorlegen und die zuständigen
Fachminister sollen sich darum kümmern, dass die Luftraumsperre
belarussischer Airlines umgesetzt wird.

Über eine mögliche Rolle Russlands bei der erzwungenen Landung sagte
Kanzlerin Merkel nach dem Gipfel, dass es dazu am Vortag keine
gesicherten Erkenntnisse gegeben habe. Sie werde das Thema sicher
ansprechen, wenn sie wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir
Putin rede.

WO STEHT DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN DER EU UND RUSSLAND?

Debattiert wurde auch das zerrüttete Verhältnis zwischen Russland und
der EU. Der Gipfel verurteile «die illegalen, provokativen und
disruptiven russischen Aktivitäten gegen die EU, ihre Mitgliedstaaten
und darüber hinaus». Die EU stehe angesichts dieser Handlungen weiter

einig und solidarisch zusammen und unterstütze die östlichen Partner.
Borrell und die EU-Kommission sollen bis zum nächsten Gipfel am 24.
und 25. Juni eine Bestandsaufnahme der schwierigen Beziehungen
ausarbeiten.