Streit um Braugerste - Umweltschützer wollen Biopatente kippen
07.06.2021 12:47
Neue Patente auf traditionell gezüchtete Pflanzen und Tiere soll es
in Europa nicht mehr geben. Saatgut-Aktivisten nehmen einen
schlagzeilenträchtigen Rechtsstreit rund um Bier zum Anlass, um das
Thema wieder auf die politische Tagesordnung zu setzen.
München (dpa) - Umweltschützer nehmen einen neuerlichen Anlauf für
ein endgültiges Verbot von Patenten auf konventionell gezüchtete
Pflanzen und Tiere in Europa. An diesem Dienstag wird die
Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts über die Klage einer
internationalen Initiative gegen eine patentierte Braugerste der
Konzerne Carlsberg und Heineken verhandeln. Dem Bündnis «Keine
Patente auf Saatgut» geht es jedoch um mehr als diesen Einzelfall.
Die Kläger hoffen auf eine Grundsatzentscheidung, wie Christoph Then
sagte, Sprecher der Bündnisses.
Bei der Verhandlung geht es um das europäische Patent EP2373154A2,
das Carlsberg und Heineken 2009 für «Getränke aus Gerste und Malz mit
niedrigem Gehalt an Dimethylsulfid» angemeldet hatten. Gerste ist der
Grundstoff des Malzes. Und ein hoher Gehalt an Dimethylsulfid
bedeutet laut Fachliteratur, dass das Malz zu unerwünscht krautigem
Geschmack neigt.
Andere Züchter fürchten, dass dieses Patent ihre Arbeit behindern
könnte. Der niedersächsische Züchter Karl-Josef Müller sagte bei de
r
Online-Pressekonferenz, dass er seit den 1990er Jahren an der
Züchtung neuer Speisegerstensorten für die Biolandwirtschaft arbeite.
«In dem Entwicklungsprozess bin ich vor nicht allzu langer Zeit eher
zufällig darauf gestoßen, dass ja von Carlsberg ein Patent
eingereicht worden ist. (...) Für mich stand dann plötzlich im Raum:
Haben wir möglicherweise eine Gerste, die von diesem Patent betroffen
sein könnte?» Eine weitere Sorge von Umweltschützern ist, dass die
biologische Vielfalt bei Nutzpflanzen leiden könnte, wenn
Patentschutz die traditionelle Züchtung beeinträchtigt.
Da dies auch Züchter anderer Pflanzen umtreibt, nimmt die Initiative
den Fall zum Anlass für einen Generalappell an das Europäische
Patentamt. «Keine Patente auf Saatgut» beruft sich dabei auf
Entscheidungen von Europäischer Kommission und Europäischer
Patentorganisation aus den Jahren 2016 und 2017, keine Patente auf
traditionelle Züchtungsverfahren auszusprechen.
Rückwirkend für die Jahre vor 2017 gilt dies jedoch nicht.
«Ausdrücklich erlaubt worden ist in Europa nur die Patentierung von
gentechnisch veränderten Pflanzen», sagte Then dazu. «Vor diesem
Hintergrund wollen wir eine Grundsatzentscheidung haben, dass dieser
Stichtag eigentlich nicht eingehalten werden kann.» Abgesehen davon
fürchtet die Initiative, dass die Regelung ohnehin nicht konsequent
umgesetzt wird, da Carlsberg in der Zwischenzeit weitere
Patentanmeldungen eingereicht hat. Das dänische Unternehmen reagierte
am Montag nicht unmittelbar auf eine Anfrage. Ob die Beschwerdekammer
des Europäischen Patentamts am Dienstag gleich entscheiden wird, war
zunächst unklar.