Friedensforscher: EU agiert zu oft als «weltpolitischer Zaungast»

08.06.2021 11:28

Berlin (dpa) - Deutsche Friedensforscher wünschen sich eine
handlungsfähigere Europäische Union in Krisen und Konflikten als
bisher. «Zu oft agiert sie nach außen als weltpolitischer Zaungast
und nicht als Ordnungsmacht von globalem Rang», sagte die Leiterin
des Leibniz-Instituts Hessische Friedens- und Konfliktforschung,
Nicole Deitelhoff, am Dienstag in Berlin. Europa könne mehr schaffen
und müsse muss auch mehr schaffen wollen, lautet das Fazit der
Wissenschaftler im aktuell vorgestellten Friedensgutachten.

Der Kern des Dokuments: Die EU reagiere auf zu viele Krisen und
Konflikte zu zögerlich. «Zu oft wirkt sie intern gelähmt durch
bürokratische Hürden oder aber gehemmt teilweise durch die
autoritären Umtriebe in ihren Mitgliedsländern, die sie in ihrem
Handeln begrenzen», sagte Deitelhoff weiter. Die Friedensforscher
spielen auf Krisen wie im ukrainisch-russischen Grenzgebiet oder der
Konfliktregion Berg-Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan an.

In Europa mangele es an einer dringend benötigten besseren
Arbeitsteilung zwischen OSZE, Nato und EU. «Die notwendige Diskussion
um eine solche Arbeitsteilung gehört in die Debatte um die
strategische Autonomie Europas, die wir seit Jahren führen», sagte
Deitelhoff. Die Friedensforscher mahnten zudem, diese Debatte
friedenspolitisch und nicht verteidigungspolitisch auszurichten.

So wichtig die Verteidigungsstärke Europas auch sei: Angesichts von
Krisen wie der Pandemie werde deutlich, sagten die Forscher, dass
einige der größten Krisen nicht militärisch zu lösen seien. Hier
brauche man zivile politische Strategien und Programme, um zum
Beispiel den Klimawandel oder andere Pandemien zu bewältigen.

Die Pandemie biete aber auch die Chance, Solidarität mit Ländern im
globalen Süden zu zeigen. «Die EU kann dazu beitragen, Impfstoffe
gerecht zu verteilen, die sozioökonomischen Kosten der Pandemie
abzumildern oder die Armuts- und Ernährungspolitik neu zu justieren»,
heißt es in dem gemeinsamen Gutachten der Friedensforscher.