EU-Gericht kippt Beschluss zu Dosenpfand-Ausnahmen in Grenzregionen

09.06.2021 16:59

Das EU-Gericht kippt Ausnahmen beim Dosenpfand im deutsch-dänischen
Grenzhandel. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, aber in der
Grenzregion sorgt es schon für Wirbel. Umwelthilfe und Grüne fordern
eine zügige Abschaffung der Ausnahmen. Und was sagt der Grenzhandel?

Flensburg/Luxemburg (dpa/lno) - Das EU-Gericht hat eine Entscheidung
der EU-Kommission zu Ausnahmen beim Dosenpfand in Geschäften an der
Grenze zu Dänemark gekippt. Nach einem am Mittwoch veröffentlichten
Urteil haben die Wettbewerbshüter der Behörde nicht ordnungsgemäß
geprüft, ob die Sonderregelungen eine illegale staatliche Beihilfe
darstellen. Sie müssen sich nun erneut mit dem Fall befassen oder
können gegen das Urteil Einspruch einlegen.

Die Interessengemeinschaft der Grenzhändler (IGG) gab sich nach der
Urteilsverkündung entspannt. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig
und habe keine unmittelbaren Rechtsfolgen für die Verkaufspraxis des
Grenzhandels, teilte die IGG mit. Es verpflichte die EU-Kommission
lediglich, den Fall erneut unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten
zu prüfen. «Wir werden die Entscheidung jetzt in Ruhe auswerten»,
sagte der IGG-Vorsitzende Erik Holm Jensen.

Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) steht mit dem erstinstanzlichen
Urteil hingegen fest, dass die Nichterhebung des Pfandes auch eine
unzulässige Beihilfe darstellt. Thomas Fischer, Bereichsleiter
Kreislaufwirtschaft, ist überzeugt, dass dagegen nun auch die
EU-Kommission einschreiten werde. Für den DUH-Mann kommt die fehlende
Pfanderhebung somit auf zwei Seiten unter Druck: Durch die
EU-Kommission und das Verfahren der DUH am Verwaltungsgericht
Schleswig zum Vollzug der Einwegpfandpflicht nach dem
Verpackungsgesetz.

Die DUH hat im April 2021 dazu Klage beim Verwaltungsgericht gegen
den Landkreis Schleswig-Flensburg eingereicht. Dabei steht für die
DUH eigenen Angaben zufolge vor allem der Umweltschaden des
pfandfreien Dosenvertriebs im Vordergrund: Durch den Vertrieb der
Dosen ohne ein Pfand fehle der Anreiz zur Rückgabe im Handel, weshalb
viele der Dosen in der Umwelt landeten.

Der Grüne-Europaabgeordnete Rasmus Andresen aus Flensburg sagte, das
Urteil sei ein Weckruf. «Das Problem «Dosenpfand» ist seit Jahren
bekannt, die Dosen des Grenzhandels landen viel zu oft in der Natur
und eine Lösung lässt schon viel zu lange auf sich warten.» Er
erinnerte daran, dass es seit 2015 eine Vereinbarung dazu zwischen
den Umweltministerien in Kopenhagen, Berlin und Kiel gibt. Statt für
ein ausreichendes Netz an Rücknahmestationen und die Einführung des
schon lange notwendigen Pfandsystems zu sorgen, sei die dänische
Regierung allerdings in einen Dornröschenschlaf gefallen. Seiner
Ansicht nach müsse die Regierung in Dänemark nun liefern.

Die EU-Kommission hatte die Ausnahmeregelungen zum Dosenpfand nach
einer Beschwerde des dänischen Berufsverbandes Dansk Erhverv
untersucht, war aber zu dem Ergebnis gekommen, dass sie nicht gegen
EU-Recht verstoßen. Gegen diesen Beschluss hatte dann wiederum Dansk
Erhverv vor dem EU-Gericht geklagt. Der Interessenverband dänischer
Unternehmen ist der Ansicht, dass die Befreiung von der Pfanderhebung
auf Einweggetränkeverpackungen eine rechtswidrige und mit dem
Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe für eine Gruppe von
Einzelhandelsunternehmen im Norden Deutschlands sei.

Dansk Erhverv wertete das Urteil in Luxemburg als Erfolg. Der Weg hin
zu einem Pfand auf deutsche Dosen südlich der dänischen Grenze werde
durch die Gerichtsentscheidung kürzer, erklärte der Verband. Man
werde das Urteil nun ebenso wie die Naturschutzvereinigung Danmarks
Naturfredningsforening genau prüfen - es sei jedoch schon jetzt klar,
dass es Grund für Optimismus gebe. Die Situation im Grenzhandel sei
absurd, das Urteil gut für die Umwelt und den Wettbewerb.

Grund für den Ärger von Dansk Erhverv ist, dass viele Menschen aus
Dänemark für Getränkeeinkäufe über die Grenze nach Deutschland
fahren, weil sie dort nach Ausfüllen einer Exportbescheinigung weder
deutsches noch dänisches Dosenpfand bezahlen müssen. Eine geplante
Regelung, die diese Möglichkeit beenden sollte, ist bis heute nicht
umgesetzt. Mehr als 650 Millionen Dosen gelangen Schätzungen zufolge
aus dem norddeutschen Grenzhandel jährlich nach Dänemark.