Interessenkonflikt? EU-Parlament erwägt Kürzungen für Tschechien

10.06.2021 10:58

Straßburg (dpa) - Im Streit um mutmaßliche Interessenkonflikte des
tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis hat das
Europaparlament die Anwendung des neuen Rechtsstaatsmechanismus ins
Spiel gebracht. In einer am Donnerstag angenommenen Resolution hieß
es, die Kommission solle auch Babis' Einfluss auf Medien und Justiz
untersuchen. Gebe es Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien,
solle sie den Mechanismus aktivieren. Dieser sieht vor, dass
EU-Ländern Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt gekürzt werden
können, wenn wegen Rechtsstaatsverstößen ein Missbrauch der Gelder
droht.

Ein im April veröffentlichter Rechnungsprüfbericht hatte
festgestellt, dass Babis als Regierungschef und Nutznießer von
EU-Geldern in einem Interessenkonflikt stehe. Hintergrund ist ein
Streit um die von Babis gegründete Agrofert-Holding. Er hatte sie an
Treuhandfonds übertragen, damit sie weiter von Subventionen
profitieren konnte, nachdem er Ende 2017 Regierungschef geworden war.
Doch nach Ansicht der Rechnungsprüfer bleibt er weiter Nutznießer der
Fördermittel. Die EU-Kommission betont, dass seit Ende 2018 keine
Zahlungen mehr für Projekte geleistet wurden, die von
Rechnungsprüfungen betroffen seien.

Um den Interessenkonflikt aufzulösen, forderten die Abgeordneten,
dass Babis entweder bei Agrofert keine Interessen mehr hat, die
Unternehmen des Konzerns keine öffentlichen EU-Zuschüsse mehr
erhalten oder Babis nicht mehr an EU-Entscheidungen beteiligt wird,
die Agrofert und dessen Interessen betreffen könnten. Die
Agrofert-Unternehmen sollten außerdem alle unrechtmäßig erhaltenen
Mittel zurückzahlen.

Babis warf dem EU-Parlament in einer Reaktion vor, das Ergebnis der
Parlamentswahl Anfang Oktober zu seinen Ungunsten beeinflussen zu
wollen. Er wandte sich gegen eine «Einmischung in die inneren
Angelegenheiten» seines Landes. Tschechien sei ein souveräner Staat,
sagte er der Agentur CTK zufolge am Rande eines Besuchs im mährischen
Olomouc (Olmütz). Der Multimilliardär und Gründer der populistischen

Partei ANO (Tschechisch für «Ja») hat immer wieder bestritten, in
einem Interessenkonflikt zu stehen.