UN: 350 000 in Äthiopien akut vom Hungertod bedroht

10.06.2021 21:37

New York (dpa) - Angesichts Hunderttausender vom Hungertod bedrohter
Menschen in Äthiopien haben mehrere UN-Agenturen Alarm geschlagen.
Einem jüngsten Bericht der Vereinten Nationen zufolge leben mehr als
350 000 Menschen in der nördlichen Region Tigray in «katastrophalen
Zuständen» - die höchste Stufe (5) einer internen Kategorisierung zur

Nahrungsmittel-Unsicherheit. Dies sei die größte Zahl an Betroffenen

in einem einzelnen Land seit einem Jahrzehnt, teilten die Ernährungs-
und Landwirtschaftsorganisation, das Welternährungsprogramm und das
Kinderhilfswerk Unicef am Donnerstag mit.

Zudem befinden sich demnach zwei Millionen Menschen in der
Notfallstufe 4 «und könnten ohne dringende Maßnahmen schnell den
Hungertod sterben». Die UN-Agenturen machten klar, dass sie bereit
stünden, um den Hunger in Äthiopien zu bekämpfen und die humanitäre

Hilfe aufzustocken - allerdings müsse dafür der Zugang ins umkämpfte

Tigray gewährleistet sein.

Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield sagte am
Donnerstag in New York: «In bestimmten Gebieten ist eine Hungersnot
möglicherweise schon im Gange, die das Leben von Hunderttausenden
bedroht. Es ist unanständig.» In einer gemeinsamen Erklärung mit den

USA rief die Europäische Union alle Konfliktparteien zu einem
sofortigen Waffenstillstand auf. Humanitären Hilfsorganisationen
solle sofort sicherer Zugang zu allen Teilen Tigrays gewährt werden,
um eine Hungerkatastrophe zu vermeiden, hieß es weiter. 

Der äthiopische Außenminister Demeke Mekonnen zeigte sich
unbeeindruckt und wies den UN-Bericht als Desinformation zurück.
Mekonnen verwies auf Bemühungen der äthiopischen Regierung, wieder
«Normalität» in Tigray einkehren zu lassen.

Hintergrund ist ein Konflikt, der im November eskaliert war. Die
äthiopische Regierung hatte eine Militäroffensive gegen die
Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) begonnen, die bis dahin in der
gleichnamigen Region an der Macht war. Hintergrund waren jahrelange
Spannungen zwischen der TPLF und der Zentralregierung. Die Kämpfe im
Norden Äthiopiens verwandelten sich bald in einen komplexen Konflikt,
in den auch das Nachbarland Eritrea verwickelt ist. Der andauernde
Konflikt hat bereits Hunderttausende Menschen in die Flucht getrieben
und große Zerstörung angerichtet.