EU erhöht mit neuen Sanktionen Druck auf Lukaschenko
21.06.2021 18:35
Im Umgang mit dem belarussischen Machthaber Lukaschenko zeigt sich
die EU entschlossen wie lange nicht. Nun werden Wirtschaftssanktionen
verhängt, die für Unternehmen aus der EU schmerzhaft sind. Auch die
USA und Großbritannien ziehen mit.
Luxemburg (dpa) - Mit weitreichenden Wirtschaftssanktionen erhöht die
EU den Druck auf den Apparat des belarussischen Machthabers Alexander
Lukaschenko. Bei einem Treffen der Außenminister verständigten sich
die 27 Mitgliedstaaten am Montag in Luxemburg darauf, die Kali- und
Düngemittelindustrie der ehemaligen Sowjetrepublik sowie
Mineralölunternehmen und den Finanzdienstleistungssektor des Landes
ins Visier zu nehmen. Der Beschluss soll schon in den nächsten Tagen
umgesetzt werden.
«Wir wollen auf die Art und Weise einen Teil dazu beitragen, dass
dieses Regime finanziell ausgetrocknet wird», sagte Außenminister
Heiko Maas (SPD). Solche Sanktionen brächten auch unerwünschte
Nebenwirkungen für die deutsche Wirtschaft mit sich. «Wir werden auch
im Energiebereich, wo es Verbindungen gibt, sicherlich betroffen
sein.» Dass viele Länder bereit seien, eigene Einbußen in Kauf zu
nehmen, sei ein Zeichen dafür, dass man sehr entschlossen sei.
Mit den Sanktionen reagiert die EU auf die anhaltenden Repressionen
gegen Zivilgesellschaft und demokratische Opposition in Belarus
(früher: Weißrussland) wie die Festnahme des regierungskritischen
Bloggers Roman Protassewitsch. Minsk hatte dafür eine
Passagiermaschine auf dem Weg zwischen den EU-Staaten Griechenland
und Litauen zu einer Zwischenlandung gezwungen. Auch die USA,
Großbritannien und Kanada verhängten weitere Strafmaßnahmen.
Bereits am Montag setzte die EU ein neues Sanktionspaket gegen
direkte Unterstützer Lukaschenkos in Kraft. Es sieht vor, dass mit
insgesamt 86 betroffenen Personen und Unternehmen keine Geschäfte
mehr gemacht werden dürfen. Zudem wurden in der EU vorhandene
Vermögenswerte eingefroren und Einreiseverbote verhängt.
Unter den betroffenen Unternehmen ist unter anderem die staatseigene
Firma BelAZ, die zu den weltweit größten Herstellern großer Lastwagen
und Kipplastern gehört. Betroffen sind auch Lukaschenkos Sohn Dmitri,
Luftwaffenchef Igor Golub und Verteidigungsminister Viktor Chrenin.
Die Wirtschaftssanktionen ziehen auch österreichische Banken in
Mitleidenschaft, die in Belarus vergleichsweise stark aktiv sind.
Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja begrüßte
die Sanktionen als «wichtiges Signal», das zeige, dass die Belarussen
nicht alleine seien. «Heute hat die gesamte demokratische Welt
beispiellose Einheit gezeigt.»
Die Auswirkungen auf den Energiebereich in Deutschland ergeben sich
demnach daraus, dass Belarus viele Erdölprodukte exportiert. Sie
machten 2020 nach Angaben der belarussischen Botschaft rund 37
Prozent der Ausfuhren in die Bundesrepublik aus. Zudem richten sich
die Sanktionen nach Angaben von Diplomaten gegen die Tabakindustrie
sowie Unternehmen, die affen oder Überwachungstechnik anbieten.
Der belarussische Wirtschaftsminister Alexander Tscherwjakow
kommentierte: «Natürlich wird es Verluste geben. Die Umleitung von
Warenströmen kostet viel Geld.» Die Strafmaßnahmen seien zugleich
aber eine Chance, neue Märkte zu erschließen. Dass die Regierung
einknickt, schloss er aus. «Wenn man die weltweite Praxis der
Sanktionen analysiert, kommt man zur Erkenntnis, dass sie nie ihre
politischen Ziele erreicht haben.»
Die EU hält trotzdem daran fast. «Wir wollen die Freilassung der
politischen Gefangenen, ein Ende der Gewalt gegen Protestierende und
gegen die Opposition und einen inklusiven Dialog, an dem am Ende dann
auch freie und faire Wahlen stehen», sagte Maas.
In Belarus gibt es seit der Präsidentenwahl am 9. August vergangenen
Jahres Proteste gegen Lukaschenko. Bei Protesten gab es mehrere Tote,
Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen. Menschenrechtler sprechen
von Folter in den Gefängnissen. Gegen Lukaschenko selbst und Dutzende
andere Unterstützer gibt es schon seit längerem Strafmaßnahmen.
Befürchtungen, dass die die Strafmaßnahmen Lukaschenko noch stärker
in die Arme des russischen Präsidenten Wladimir Putin treiben, wurden
in Luxemburg zurückgewiesen. Die belarussische Oppositionsführerin
Tichanowskaja wurde von den Außenministern zu einem Frühstück
empfangen. Tichanowskaja hatte zuvor schon immer wieder zu schärferen
Strafmaßnahmen aufgefordert.