Milliarden aus Brüssel: Deutscher Corona-Aufbauplan gebilligt

22.06.2021 18:12

Nach der Pandemie wollen die EU-Staaten die Wirtschaftskrise rasch
überwinden. Milliarden aus dem Corona-Aufbaufonds sollen riesige
Investitionen anschieben, auch in Deutschland. Zufrieden sind
trotzdem nicht alle.

Berlin (dpa) - Deutschland hat gute Chancen, Ende Juli die ersten
Milliarden aus dem europäischen Corona-Aufbaufonds zu bekommen. Sie
sollen in Programme fließen, die für Millionen Menschen im Alltag
spürbar wären - etwa in Förderprämien für Elektroautos oder
Gebäudesanierung, in die Digitalisierung von Gesundheitsämtern oder
die Schaffung von 90 000 neuen Kita-Plätzen.

Die EU-Kommission billigte am Dienstag die deutschen Pläne zur
Nutzung der EU-Hilfen - Präsidentin Ursula von der Leyen überbrachte
den positiven Bescheid persönlich an Bundeskanzlerin Angela Merkel in
Berlin. Wenn auch der Rat der EU-Staaten in den nächsten vier Wochen
zustimmt, kann die Auszahlung beginnen. Insgesamt erwartet
Deutschland 25,6 Milliarden Euro an Zuschüssen aus dem
Corona-Aufbaufonds RRF. Die erste Rate wären 2,3 Milliarden Euro.

Auch Italien bekam am Dienstag grünes Licht für seinen Aufbauplan,
der um ein Vielfaches größer ist: Rom hat 68,9 Milliarden Euro an
Zuschüssen aus dem RRF beantragt und zudem 122,6 Milliarden Euro an
preiswerten Krediten, zusammen also 191,5 Milliarden. Zusammen mit
Mitteln aus einem nationalen Fonds will Italien bis 2026 rund 222,1
Milliarden Euro investieren, unter anderem in Schnellzugverbindungen,
eine moderne Verwaltung sowie Jobs für Frauen und junge Leute.

Die EU-Staaten hatten vor einem Jahr ein gemeinsames Aufbauprogramm
im Umfang von 750 Milliarden Euro vereinbart - in laufenden Preisen
sind das sogar gut 800 Milliarden Euro. Es soll der europäischen
Wirtschaft nach der Pandemie wieder Auftrieb geben und sie
gleichzeitig modernisieren. Das Geld wird als Schulden aufgenommen
und von den EU-Staaten bis 2058 gemeinsam getilgt.

Es handele sich um das größte Investitionsprogramm seit dem
amerikanischen Marshall-Plan nach dem Zweiten Weltkrieg und um «eine
außergewöhnliche Antwort auf eine außergewöhnliche Krise», sagte
von
der Leyen in Berlin. Die Kommissionschefin lobte, dass Deutschland
verstärkt in Digitalisierung der Verwaltung und des Gesundheitswesens
investieren will. Mit einem Anteil von 52 Prozent der Ausgaben für
solche Projekte sei Deutschland europaweit spitze, sagte die
ehemalige Bundesministerin.

Merkel begründete dies mit dem Nachholbedarf. Unter anderem die
Arbeit der Gesundheitsämter werde sich stark verändern und
verbessern. Die Kanzlerin lobte, dass die Umsetzung der europäischen
Corona-Hilfen «in einem wahnsinnigen Tempo» gelaufen sei.

Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner hatte den deutschen
Aufbauplan als «stümperhafte Mogelpackung» kritisiert. Die
Bundesregierung verrechne fast nur alte Projekte aus ihrem
Konjunkturpaket mit EU-Geld. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber
monierte, dass der «deutsche Plan auf echte Reformen weitgehend
verzichtet hat». FDP-Politiker Moritz Körner sprach von einer
vertanen Chance.

Die EU-Kommission sieht die europäischen Vorgaben beim deutschen Plan
jedoch erfüllt. So seien mindestens 42 Prozent der Mittel für
Klimaschutzprojekte eingeplant - die Vorgabe waren 37 Prozent. Allein
2,5 Milliarden Euro seien zur Förderung von Gebäudesanierung
vorgesehen, weitere 2,5 Milliarden Euro für Kaufprämien für 800 000

klimafreundliche Fahrzeuge.

Bei den Investitionen in Digitalisierung liege Deutschland mit 52
Prozent deutlich über dem geforderten Anteil von 20 Prozent. Allein
drei Milliarden Euro sollen in neue digitale Dienste der öffentlichen
Verwaltung fließen.

Die Brüsseler Behörde zeigte sich auch zufrieden mit den
Reformversprechen aus Berlin. Zentral sei der verbindlich zugesagte
Abbau von Investitionshemmnissen, auch in der öffentlichen
Verwaltung. Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung der
EU-Kommission mit dem bis 2026 laufenden Programm um 0,4 bis 0,7
Prozentpunkte stärker wachsen als ohne die europäischen Hilfen.

Deutschland bekommt aus dem Aufbaufonds vergleichsweise wenig, weil
es 2020 besser durch die Pandemiekrise kam als andere EU-Staaten.
Zudem erhält Deutschland nur Zuschüsse und keine Kredite, weil es
sich selbst sehr preiswert am Kapitalmarkt finanzieren kann.