Wie die EU sich auf den Weg zur Klimaneutralität macht Von Ansgar Haase und Marek Majewsky, dpa

14.07.2021 17:23

Wer CO2 freisetzt und die Atmosphäre verschmutzt, muss dafür zahlen:
Das ist das Grundrezept, mit dem die EU ihre ambitionierten Ziele für
den Klimaschutz erreichen soll. Jetzt wird es konkret - auch für die
Autoindustrie.

Brüssel (dpa) - Hochwasser, Hitzewellen, Wirbelstürme und steigende
Meeresspiegel: Die EU-Staaten sind sich einig, dass der Klimawandel
möglichst schnell gestoppt werden muss. Bereits bis 2030 sollen die
Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent sinken
- bevor die EU dann 2050 klimaneutral ist. Nun gibt es einen ersten
Plan, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Wichtige Punkte im
Überblick:

Autos

Den Herstellern soll nach den am Mittwoch präsentierten Plänen der
EU-Kommission vorgeschrieben werden, den CO2-Ausstoß von Neuwagen
deutlicher stärker zu senken als derzeit vorgesehen. Bisher gilt,
dass er 2030 im Schnitt um 37,5 Prozent niedriger sein muss als 2021.
Neuer Zielwert sollen 55 Prozent sein. Wenn sich Hersteller nicht an
die Vorgaben halten, sollen Strafen gezahlt werden müssen. Der
Vorschlag sieht zudem vor, dass in der EU ab 2035 nur noch
emissionsfreie Autos neu zugelassen werden sollen.

Ladesäulen

Da die EU-Kommission davon ausgeht, dass die Zahl der Elektroautos
rasend schnell steigen wird, sollen auf den großen
Hauptverkehrsstraßen in der EU alle 60 Kilometer Ladestellen
für Elektroautos eingerichtet werden. Die Investitionskosten für
die Ladeinfrastruktur schätzt die Kommission auf insgesamt 15
Milliarden Euro. Alle 150 Kilometer sollen Wasserstofftankstellen
entstehen.

Energiesteuern

Künftig sollen auch auf im Luftverkehr und in der Schifffahrt
genutzte Treibstoffe Energiesteuern fällig werden. Grundsätzlich
sollen Energiesteuern zudem auf Basis des Energiegehalts und der
Umweltverträglichkeit der Kraft- und Brennstoffe und des elektrischen
Stroms erhoben werden. Bislang ging es um das Volumen.

Weniger Verschmutzungsrechte für die Industrie

Um den Treibhausgasausstoß der EU zu senken, wurde bereits 2005 das
sogenannte Emissionshandelssystem (EU-ETS) eingerichtet. Es sieht
vor, dass bestimmte Unternehmen für den Ausstoß von Gasen wie
Kohlendioxid Verschmutzungsrechte brauchen, die sie entweder
ersteigern müssen oder kostenlos zugeteilt bekommen. Dadurch wird ein
starker Anreiz gesetzt, Emissionen zu vermeiden. Dieses System soll
nun überarbeitet werden. Die EU-Kommission schlägt vor, Teile des
Seeverkehrs mit einzubeziehen. Zudem soll ein eigenes
Emissionshandelssystem für die im Straßenverkehr und zum Heizen von
Gebäuden genutzten Brennstoffe geschaffen werden. Darüber hinaus will
die Kommission die Menge der verfügbaren Verschmutzungszertifikate
schneller verkleinern als geplant.

CO2-Grenzausgleichsmechanismus

Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass vergleichsweise
klimaschädlich produzierte Produkte aus Drittstaaten in der EU
künftig keine Wettbewerbsvorteile mehr haben. Dazu soll für bestimmte
Produkte eine sogenannte CO2-Grenzabgabe eingeführt werden, die sich
danach richtet, wie viele Treibhausgase bei der Produktion der
Produkte entstehen. So könnte zum Beispiel Strom, Stahl oder
Aluminium aus Nicht-EU-Ländern mit weniger strengen
Klimaschutzauflagen deutlich teurer werden.

Mehr erneuerbare Energien

Derzeit gilt, dass der Anteil der erneuerbaren Energien spätestens im
Jahr 2030 einen Anteil von 32 Prozent erreichen soll. Diese EU-weite
verbindliche Zielvorgabe soll auf 40 Prozent angehoben werden.

Der Klima-Sozialfonds

Über einen Klima-Sozialfonds sollen Bürgerinnen und Bürgern Geld fü
r
Investitionen in Energieeffizienz, neue Heiz- und Kühlsysteme und
sauberere Mobilität erhalten können. Gefüllt werden würde er unter

anderem über die Einnahmen aus dem geplanten Emissionshandel für
Brenn- bzw. Treibstoffe im Gebäudesektor und Straßenverkehr. Wenn
sich die EU-Staaten auch beteiligen, könnten laut
Kommissionsberechnungen mehr als 144 Milliarden Euro mobilisiert
werden.

Wie es weitergeht

Nun fangen die eigentlichen Verhandlungen an, vor allem zwischen den
Mitgliedstaaten im Rat der EU und dem Europäischen Parlament - beide
Gremien müssen den Plänen letztlich zustimmen. Wie lange die
Gespräche dauern, ist unklar. Grundsätzlich ist aber Eile geboten, um
Industrie und Verbrauchern möglichst viel Zeit für die Umstellungen
und notwendigen Einsparungen zu geben.