Polens Verfassungsgericht: EuGH-Anordnungen zur Justiz nicht bindend

14.07.2021 18:16

Warschau (dpa) - Der Konflikt zwischen Polen und der EU um die Reform
des polnischen Justizsystems spitzt sich weiter zu. Das
Verfassungsgericht in Warschau urteilte am Mittwoch, die Anwendung
einstweiliger Verfügungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die
sich auf des Gerichtssystem des Landes beziehen, sei nicht mit Polens
Verfassung vereinbar.

Konkret geht es um die umstrittene Disziplinarkammer des polnischen
Obersten Gerichts, an deren Unparteilichkeit es Zweifel gibt. Der
EuGH hatte bereits in einer einstweiligen Verfügung im April 2020
entschieden, dass die seit 2018 existierende Disziplinarkammer des
Obersten Gerichts ihre Arbeit zunächst aussetzen müsse, weil sie
möglicherweise nicht politisch unabhängig sei. Ein endgültiges Urteil

in dieser Sache will der EuGH am Donnerstag treffen.

Trotz dieser Anordnung blieb die Disziplinarkammer weiter aktiv. Am
Mittwoch, kurz vor der Verkündung des Urteils des polnischen
Verfassungsgerichts, ließ der EuGH noch eine weitere einstweilige
Verfügung folgen: Darin wird Polen aufgefordert, die Bestimmungen
auszusetzen, mit denen die Disziplinarkammer ermächtigt wird, über
Anträge auf Aufhebung der richterlichen Immunität sowie über Fragen
zur Beschäftigung und Pensionierung von Richtern zu entscheiden.

Das polnische Verfassungsgericht urteilte jedoch, die Vorschrift der
EU-Verträge, auf deren Basis der EuGH seine einstweiligen Verfügungen
erlasse, seien nicht konform mit der Verfassung. Die EU könne ihre
Mitgliedsstaaten nicht bei der Schaffung von Regelungen zum
Justizsystem und der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit
ersetzen.

Polens nationalkonservative PiS-Regierung baute in den vergangenen
Jahren das Justizwesen um. Die EU-Kommission eröffnete wegen
strittiger Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren
gegen die Regierung in Warschau und reichte Klagen beim Europäischen
Gerichtshof (EuGH) ein.