Gute Konjunktur: EZB drosselt Anleihenkäufe zum Jahresende leicht

09.09.2021 13:50

Europas Währungshüter verringern im vierten Quartal das Tempo ihrer
milliardenschweren Anleihenkäufe. Ein Ende des Notkaufprogramms PEPP
ist damit nicht beschlossen. Auch die Zinsen bleiben auf Rekordtief.

Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) geht
angesichts der gut laufenden Konjunktur bei ihren milliardenschweren
Anleihenkäufe leicht vom Gas. Im vierten Quartal 2021 soll der Erwerb
von Staats- und Unternehmenspapieren im Rahmen des
Corona-Notkaufprogramms PEPP «moderat» geringer ausfallen als
derzeit. Das entschied der EZB-Rat bei seiner Sitzung am Donnerstag,
wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte. Zuletzt steckte die EZB
über das PEPP monatlich etwa 80 Milliarden Euro in Wertpapiere.

Ein Ende des Zinstiefs im Euroraum ist nicht in Sicht. Den Leitzins
im Euroraum hält die EZB weiterhin auf dem Rekordtief von null
Prozent. Geschäftsbanken müssen nach wie vor 0,5 Prozent Zinsen
zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken.

Die Laufzeit des in der Pandemie aufgelegten, besonders flexiblen
Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) mit einem Volumen von
1,85 Billionen Euro bis mindestens Ende März 2022 bestätigten die
Währungshüter.

Die Anleihenkäufe der EZB helfen Staaten wie Unternehmen: Diese
müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine
Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Das ist besonders
für Staaten wichtig, die zur Abfederung der Folgen der Corona-Krise
milliardenschwere Hilfsprogramme aufgelegt haben.

Die Wirtschaft entwickele sich im laufenden Jahr besser als erwartet,
hatte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos in einem Anfang September
veröffentlichten Interview gesagt: «Wenn sich die Inflation und die
Wirtschaft erholen, wird es logischerweise zu einer schrittweisen
Normalisierung der Geldpolitik und auch der Finanzpolitik kommen.»

Die Notenbankchefs von Österreich und den Niederlanden, Robert
Holzmann und Klaas Knot hatten angesichts des wirtschaftlichen
Aufschwungs und der anziehenden Inflation gefordert, über geringere
Anleihenkäufe nachzudenken. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte
gemahnt, auch «das Risiko einer zu hohen Inflation» nicht
auszublenden: «Angesichts der bestehenden Unsicherheit sollten wir
den sehr lockeren Kurs der Geldpolitik nicht für zu lange
festschreiben.» Insbesondere das PEPP sei «eng an die Pandemie
gebunden und muss beendet werden, sobald die Notsituation überwunden
ist», bekräftigte Weidmann frühere Aussagen. «Aus gutem Grund steht

das erste P in PEPP für pandemisch und nicht für permanent.»

Kritiker werfen der EZB vor, mit dem vielen billigen Geld die
Inflation anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will.
Oberstes Ziel der Notenbank sind stabile Preise. Beim Umgang mit
höheren Teuerungsraten hat sich die EZB inzwischen allerdings mehr
Flexibilität verschafft: Die Notenbank strebt neuerdings für den
Währungsraum eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent an und ist
zumindest zeitweise bereit, eine moderates Über- oder Unterschreiten
dieser Marke zu akzeptieren.

Im August 2021 lagen die Verbraucherpreise im Euroraum um 3,0 Prozent
über dem Niveau des Vorjahresmonats. Damit kletterte die Inflation im
Euroraum auf den höchsten Stand seit fast zehn Jahren. Die Zinsen
will die EZB erst wieder anheben, wenn sie ihr Inflationsziel
nachhaltig erreicht sieht.

Aus Sicht der EZB ist der Anstieg der Verbraucherpreise vorübergehend
und auf Sonderfaktoren infolge der Corona-Krise zurückzuführen. So
waren zum Beispiel die Rohölpreise wegen geringer Nachfrage auf dem
Weltmarkt nach Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 eingebrochen.
Seither haben sie sich erholt. Auch die Rückkehr zu den üblichen
Mehrwertsteuersätzen in Europas größter Volkswirtschaft Deutschland
zum 1. Januar 2021 hat einen Effekt auf die Teuerung im Euroraum. In
Deutschland galten von Juni bis Ende Dezember 2020 verringerte
Mehrwertsteuersätze, um in der Krise den Konsum anzukurbeln.

Greenpeace-Aktivisten forderten mit einer Aktion vor der EZB-Zentrale
in Frankfurt mehr Einsatz der Notenbank im Kampf gegen den
Klimawandel. In einer am Donnerstag veröffentlichten Studie von
Greenpeace Deutschland, dem Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) und der SOAS University of London fordern
die Autoren die EZB zum Beispiel auf, bei ihren Anleihenkäufen
mögliche Klimarisiken offenzulegen und möglichst umzusteuern.