Lage an EU-Außengrenzen Thema bei Merkels Visite in Polen

11.09.2021 04:30

Kurz vor ihrem geplanten Ausscheiden aus der Bundesregierung besucht
die Kanzlerin Warschau. Dort trifft sie Regierungschef Morawiecki.
Merkels «strategische Geduld» habe dem schwierigen deutsch-polnischen
Verhältnis genützt, meint ein Experte.

Warschau (dpa) - Die Situation an Polens Grenze zu Belarus ist aus
polnischer Sicht ein zentrales Thema bei dem Besuch von Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) in Warschau. Merkel reist zu einem Treffen mit
Polens Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki in die polnische
Hauptstadt. Auf der Agenda stehen zudem der Umgang mit der
Corona-Pandemie, die Zukunft der EU und das bilaterale Verhältnis.

Die Regierungen in Polen, Litauen und Lettland beschuldigen den
belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, in organisierter
Form Flüchtlinge an die EU-Außengrenze zu bringen. Polen hat deshalb
in der vergangenen Woche für 30 Tage den Ausnahmezustand in der
Grenzregion zu dem autoritär regierten Nachbarland verhängt. Ein
Sprecher der polnischen Regierung sagte, Morawiecki erhoffe von
Merkel auch Informationen dazu, wie die Aktivitäten Polens
unterstützt würden.

Im Laufe ihrer Amtszeit hat Merkel Polen mehr als zwei Dutzend mal zu
bilateralen und internationalen Anlässen besucht. Die Kanzlerin habe
auf das deutsch-polnische Verhältnis einen «überwältigenden Einflus
s
gehabt», sagte Janusz Reiter, einstiger polnischer Botschafter in
Deutschland, der Deutschen Presse-Agentur. «Sie hat das, was man
«strategische Geduld» nennt.» Diese Geduld und Merkels
Zielstrebigkeit seien für das komplizierte Verhältnis der beiden
Länder sehr wichtig gewesen.

Wenn es hart auf hart komme, setze Merkel aber auch deutsche
Interessen gegen die Kritik und die Bedenken anderer durch, sagte
Reiter weiter. Dies habe sich im Fall der deutsch-russischen
Gaspipeline Nord Stream 2 gezeigt. In Polen stoße dieses Projekt
parteiübergreifend auf Ablehnung. «Das ist Ausdruck einer Tendenz in
Deutschland, deren Teil Angela Merkel ist: zu glauben, dass das, was
für Deutschland gut ist, für Europa gut ist.» Deutschland sei in den

16 Jahren unter Merkel selbstbewusster geworden.

Nach der ursprünglichen Planung der Bundesregierung sollte die
Kanzlerin in Warschau auch mit Polens Präsident Andrzej Duda
zusammentreffen. Doch diese Begegnung findet nicht statt.

Aus der Präsidialadministration hieß es dazu, Duda werde sich am
Samstag in Kattowitz bei Feierlichkeiten zu einem Jahrestag der
Gewerkschaft Solidarnosc aufhalten. Dieser Termin sei seit langem
geplant.

Nach Berichten polnischer Medien soll die Verstimmung über Nord
Stream 2 in Dudas Umgebung eine Rolle gespielt haben bei der
Entscheidung, auf ein Treffen des Präsidenten mit der Kanzlerin zu
verzichten.