Von der Leyen gibt sich im Justizstreit mit Polen entschlossen

15.09.2021 10:44

Straßburg (dpa) - Im Streit über die umstrittenen polnischen
Justizreformen hat EU-Kommissionspräsidentin Entschlossenheit
demonstriert. «Das Recht auf eine unabhängige Justiz, das Recht, vor
dem Gesetz gleichbehandelt zu werden - auf diese Rechte müssen sich
die Menschen verlassen können, und zwar überall in Europa», sagte von

der Leyen am Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union
in Straßburg. Es sei wichtig, dass zu Beginn immer der Dialog stehe.
Doch der Dialog sei kein Selbstzweck, sondern müsse zum Ziel führen.
«Deshalb verfolgen wir den dualen Ansatz aus Dialog und
entschlossenem Handeln.»

Vergangene Woche hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei
einem Besuch in Polen dafür ausgesprochen, den Streit durch Dialog zu
lösen. Wegen Bedenken über den Rechtsstaat in Polen und Ungarn hat
die EU-Kommission beiden Ländern auch noch keine Milliarden aus dem
Corona-Hilfsfonds bewilligt.

Von der Leyen verwies darauf, dass die EU-Kommmission vergangene
Woche finanzielle Sanktionen gegen Polen beim Europäischen
Gerichtshof beantragt hatte. Hintergrund war insbesondere die
fortgesetzte Tätigkeit der polnischen Disziplinarkammer zur
Bestrafung von Richtern. Der EuGH hatte in einer einstweiligen
Anordnung den Stopp der Tätigkeit dieser Kammer angeordnet, woran
sich Warschau aber nicht hält. Von der Leyen betonte, EuGH-Urteile
seien bindend. Jedes Land habe sich dazu verpflichtet, die Werte der
EU einzuhalten, als es als freier und souveräner Staat der
Gemeinschaft beigetreten sei.

Zu den Werten der EU gehöre außerdem die Freiheit: die Freiheit zu
sein, wer man ist oder die Freiheit zu lieben, wen man will - aber
auch die Freiheit vor Angst. «Während der Pandemie wurden zu viele
Frauen dieser Freiheit beraubt.» Bis Ende des Jahres werde die
EU-Kommission deshalb ein Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen
Frauen auf den Weg bringen, sagte von der Leyen.

Auch die Medienfreiheit sieht die deutsche Politikerin bedroht.
«Journalistinnen und Journalisten werden angegriffen, einfach nur,
weil sie ihre Arbeit machen. Einige werden bedroht und verprügelt,
andere tragischerweise ermordet.» Diejenigen, die Transparenz
schafften, müssten jedoch geschützt werden. 2022 werde die
EU-Kommission deshalb ein Medienfreiheitsgesetz vorlegen.