Studie: Lebensmittel-Einzelhandel drohen Einbußen durch Online-Handel
02.10.2021 06:30
Der Kreditversicherer Euler Hermes nennt es die «Online-Falle» des
Lebensmittel-Einzelhandels. Denn je mehr er im Internet verkauft,
desto mehr Gewinn geht demnach flöten. Geraten wird zu
Partnerschaften mit Lieferprofis.
Hamburg (dpa) - Dem Lebensmittel-Einzelhandel drohen mit der
Verlagerung des Geschäfts ins Internet laut einer Studie erhebliche
Gewinneinbrüche. Anders als im stationären Handel sei der
Online-Verkauf von Lebensmitteln derzeit unabhängig von der Art der
Zustellung mit Verlusten verbunden, heißt es in einer der Deutschen
Presse-Agentur vorliegenden Untersuchung des Kreditversicherers Euler
Hermes. Da ein Teil der Wertschöpfungskette - Kommissionierung und
Lieferung - quasi vom Kunden an den Einzelhändler zurückverlagert
wird, stiegen die Kosten.
Die Folge: Bei einem durchschnittlichen Betriebsergebnis von 3,7
Prozent für den Lebensmitteleinzelhandel in Europa geht die Studie
davon aus, dass jedes Prozent der Lebensmittelverkäufe, das online
getätigt wird, einen Gewinn von mindestens 500 Millionen Euro bedroht
- sofern die Margen im Online-Lebensmittelhandel bei null liegen, was
schon optimistisch sei. Im schlimmsten Fall - bei einer Marge von
minus zehn Prozent - könnten die Einbußen auf bis zu 1,9 Milliarden
Euro steigen. Euler Hermes untersuchte nach eigenen Angaben die
Märkte in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und
Großbritannien.
«Der Lebensmitteleinzelhandel gehört ganz eindeutig zu den
Krisengewinnern», sagte Branchenexperte für den Einzelhandel bei
Euler Hermes, Aurélien Duthoit, mit Blick auf das Umsatzplus des
vergangenen Jahres von 5,3 Prozent im europäischen und 7,9 Prozent im
deutschen Lebensmittel-Einzelhandel. Doch sei nicht alles Gold, was
glänzt. «Denn die Zunahme beim Onlinehandel drückt auf die Margen und
hinterlässt einen bitteren digitalen Beigeschmack.» Derzeit liege der
E-Commerce-Anteil in Deutschland bei drei, in Großbritannien bei elf
Prozent - Tendenz steigend.
Die deutschen Lebensmittel-Einzelhändler seien bislang relativ
zögerlich beim Ausbau ihrer Online-Angebote, so dass sich negative
Margen im E-Commerce bisher weniger stark auswirkten, sagte Duthoit.
«Aber: Jedes Prozent der Einkäufe, das sich ins Internet verschiebt,
gefährdet auch in Deutschland immerhin rund 2,4 Milliarden Euro an
Umsätzen und Gewinne zwischen 87 und 324 Millionen EUR.» Die
Zurückhaltung lasse zudem die Tür weit offen für neue Anbieter.
«Diese könnten künftig genau in die kaum besetzte Online-Lücke sto
ßen
und den etablierten Marktteilnehmern das Wasser abgraben.»
Aus Sicht von Euler Hermes sollten Lebensmittel-Einzelhändler sich
darauf konzentrieren, ihren Ladenmix anzupassen, digital aufzurüsten
und Partnerschaften mit Playern einzugehen, die voll auf digitale
Modelle setzten. «Da ist aktuell Musik drin», sagte Duthoit unter
Verweis auf Lieferspezialisten wie Deliveroo, Delivery Hero oder
Gorillas.