Nach Urteil des Verfassungsgerichts: Proteste in Polen geplant
10.10.2021 06:34
In einer umstrittenen Entscheidung hat Polens Verfassungsgericht dem
nationalen Recht Vorrang vor EU-Recht gegeben. Die Entscheidung stößt
nicht nur in Brüssel auf Widerstand. In vielen Städten sind Proteste
geplant.
Warschau (dpa) - Nach einem umstrittenen Urteil des
Verfassungsgerichts in Polen sind am Sonntag (18.00 Uhr) in Warschau
und mehreren anderen Großstädten Proteste geplant.
Polens Verfassungsgericht hatte am Donnerstag geurteilt, dass
bestimmte Elemente des EU-Rechts gegen die polnische Verfassung
verstoßen. Damit gab es nationalem Recht den Vorrang vor EU-Recht.
Diese Entscheidung heizt den Konflikt zwischen der EU-Kommission und
Warschau um die Reform des polnischen Justizsystems weiter an.
Zu den Protesten aufgerufen hat der ehemalige EU-Ratspräsident und
polnische Oppositionsführer Donald Tusk. Er wirft der
nationalkonservativen Regierungspartei PiS vor, das Land aus der EU
führen zu wollen. Tusk ist kommissarischer Vorsitzender von Polens
größter Oppositionspartei, der liberalkonservativen Bürgerplattform.
Demonstrationen sind unter anderem in Posen, Danzig, Krakau,
Kattowitz und Bialystok geplant.
Tusk sagte dem Radiosender Tok.fm am Samstag, er habe die Führung der
oppositionellen Linken und der Bauernpartei PSL sowie den ehemaligen
Präsidentschaftskandidaten Szymon Holownia von der Bewegung Polska
2050 ebenfalls um Unterstützung für die Proteste gebeten.
Holownia sagte dem Sender RMF FM, er sei «zutiefst beunruhigt» über
das Urteil. «Man muss sich mit denjenigen treffen, die finden, dass
in Polen in der vergangenen Woche etwas Schlimmes passiert ist.»
Laut einer aktuellen Umfrage sehen gut 88 Prozent der Polen die
Mitgliedschaft ihres Landes in der Staatengemeinschaft positiv, nur
gut 9 Prozent bewerten sie negativ.
Polens nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen seit
Jahren um. Kritiker werfen ihr vor, Richter unter Druck zu setzen.
Die EU-Kommission hat wegen der Reformen bereits mehrere
Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau eröffnet und Klagen beim
EuGH eingereicht.