Präsident des Bundesverfassungsgerichts sorgt sich um Lage in der EU

11.10.2021 08:07

Karlsruhe (dpa) - Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts,
Stephan Harbarth, macht sich Sorgen um die Entwicklung in der
Europäischen Union. «Der unaufhaltsame Siegeszug, den die
freiheitliche Demokratie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989/90
anzutreten schien, ist in den vergangenen Jahren leider zu einem
vorläufigen Stillstand gekommen», sagte er den «Badischen Neuesten
Nachrichten» (BNN) am Montag. «Manche sehnen sich nach autoritären
Herrschaftssystemen.» Deshalb seien alle aufgerufen, die Freiheit zu
verteidigen. «Freiheit ist nicht denkbar ohne unabhängige Gerichte»,

fügte Harbarth hinzu, ohne unter anderem die Situation in Polen
direkt anzusprechen.

Dort baut Polens nationalkonservative PiS-Regierung das Justizwesen
seit Jahren um. Kritiker werfen ihr vor, Richter unter Druck zu
setzen. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen bereits mehrere
Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau eröffnet und Klagen beim
EuGH eingereicht.

Am vergangenen Donnerstag hatte Polens Verfassungsgericht geurteilt,
dass bestimmte Elemente des EU-Rechts gegen die polnische Verfassung
verstoßen. Damit gab es nationalem Recht den Vorrang vor EU-Recht.
Diese Entscheidung hat den Konflikt zwischen der EU-Kommission und
Warschau weiter angeheizt.