Nordirland-Streit: EU präsentiert Lösungsvorschläge für Brexit-Frag en

13.10.2021 04:30

Gut fünf Jahre nach dem Brexit-Votum wird immer noch erbittert über
Ausnahmen von den Regeln des britischen EU-Austritts gerungen. Noch
bevor die EU-Kommission ihre Vorschläge für eine Lösung der heiklen
Nordirland-Frage präsentieren kann, wird die Stimmung wieder
angeheizt.

Brüssel/London (dpa) - Im Streit mit London über die Regelungen für
die britische Provinz Nordirland nach dem Brexit will die
EU-Kommission heute Lösungsvorschläge präsentieren. Erwartet wird,
dass der Brexit-Beauftragte der EU, Maros Sefcovic, einen
detaillierten Katalog von Maßnahmen präsentieren wird, um die durch
das sogenannte Nordirland-Protokoll entstandenen Schwierigkeiten im
innerbritischen Handel zu minimieren.

Der britische Brexit-Minister David Frost hatte am Dienstag unter
anderem verlangt, dass die Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) mit Blick auf das Protokoll stark beschränkt werden. Dass
Brüssel dem zustimmt, gilt als nahezu ausgeschlossen. Das von Frost
selbst mit ausgehandelte Protokoll besagt nämlich, dass Nordirland
auch nach dem Brexit den Regeln der EU-Zollunion und des Binnenmarkts
folgt, wodurch es bestimmten EU-Vorschriften unterliegt.

Mit dieser Regelung sollen eine harte Grenze zwischen Nordirland und
dem EU-Mitglied Republik Irland sowie ein neuer Ausbruch des
gewalttätigen Konflikts um eine Wiedervereinigung der Insel
verhindert werden. Was die britische Seite daran stört, ist, dass nun
Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten
Königreichs notwendig sind.

«Das EU-Paket ist noch nicht einmal veröffentlicht, aber die
britische Regierung lehnt es bereits öffentlichkeitswirksam ab»,
kritisierte die Europaabgeordnete Anna Cavazzini (Grüne). Der
britische Premierminister Boris Johnson und Frost hätten kein
Interesse daran, die Situation in Nordirland zu verbessern, so die
Vorsitzende des Binnenmarktausschusses. Sie sprach von
«populistischer Meinungsmache».

Die Politologin Georgina Wright vom Institut Montaigne in Paris wies
darauf hin, dass das Nordirland-Protokoll der einzige Teil des
Austrittsabkommens sei, den Johnson ausgehandelt habe. Es sei klar
gewesen, dass die Rolle des EuGH nicht verhandelbar sei, sagte sie
der Deutschen Presse-Agentur.

Berichten zufolge dürften zu den für Mittwoch erwarteten Vorschlägen

der Kommission Ausnahmen für einzelne Produkte wie bestimmte
Lebensmittel und Medikamente gehören. Eine grundsätzliche
Neuverhandlung des Protokolls dürfte aber weiterhin nicht zur Debatte
stehen. Ob das ausreichen wird, um London zu besänftigen, gilt aber
als äußerst fraglich.

Frost hatte die EU am Dienstag in Lissabon davor gewarnt, einen
«historischen Fehler» zu begehen. Er hatte das Protokoll «die Quelle

des größten Misstrauens zwischen uns» genannt und gedroht, es durch
einen Notfallmechanismus außer Kraft zu setzen. «Das Protokoll
funktioniert nicht», sagte Frost. Zudem verhalte sich die
Staatengemeinschaft nicht konstruktiv, sondern erwecke den Eindruck,
dass sie Großbritannien keinen Erfolg wünsche.