Trotz drohender Sanktionen: Ankara will Kavala nicht freilassen

20.01.2022 11:03

Straßburg (dpa) - Die Türkei will trotz der drohenden Sanktionen des
Europarats den inhaftieren Kulturförderer Osman Kavala nicht aus der
Haft entlassen. Das Land habe bis zum Ablauf einer Rückmeldefrist am
Mittwoch an dieser Haltung festgehalten, teilte ein
Europarats-Sprecher am Donnerstag mit.

Die Straßburger Organisation hatte zuletzt gegen ihr Mitgliedsland
Türkei in einem historisch fast einmaligen Schritt ein
Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Von Ankara hatte sie eine
Rückmeldung dazu bis Mittwoch, 24.00 Uhr, gefordert. Diese
Stellungnahme sei eingegangen, ihr genauer Inhalt sei aber geheim,
hieß es. Ob nun tatsächlich Sanktionen folgen oder gar der Ausschluss
der Türkei aus dem Europarat droht, ist völlig offen. Dazu wären
zunächst noch mehrere Zwischenschritte nötig.

Hintergrund des Verfahrens gegen die Türkei ist die fortgesetzte
Weigerung Ankaras, Kavala aus der Haft zu entlassen. Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte schon vor rund zwei
Jahren die Freilassung des Menschenrechtsaktivisten angeordnet und
die Haft als politisch motiviert eingestuft. Als Mitgliedsland des
Europarats ist die Türkei verpflichtet, sich an Urteile des Gerichts
zu halten. Der Europarat wacht über die Einhaltung der Menschenrechte
in seinen 47 Mitgliedstaaten und ist keine EU-Institution.

Kavala ist seit vier Jahren inhaftiert, ohne je verurteilt worden zu
sein. Dem 64-Jährigen werden in einem Prozess in Istanbul ein
Umsturzversuch im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten sowie
«politische und militärische Spionage» im Zusammenhang mit dem
Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Kavala weist die Vorwürfe strikt
zurück. Auch in der letzten Verhandlung vor Ablauf der Frist hatte
das türkische Gericht eine Freilassung Kavalas erneut abgelehnt.

Nun muss Anfang Februar das sogenannte Ministerkomitee des Europarats
mit Vertretern der Mitgliedstaaten entscheiden, ob die Sache erneut
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vorgelegt
wird. Sollte anschließend der Gerichtshof feststellen, dass sein
Kavala-Urteil nicht umgesetzt wurde, müsste das Ministerkomitee über
weitere Schritte oder Sanktionen entscheiden - welche das wären, ist
jedoch nicht festgeschrieben.