EU öffnet «minimale Präsenz» in Kabul - Kein Zeichen der Anerkennun g

21.01.2022 11:44

Brüssel/Kabul (dpa) - Nach der Machtübernahme der
militant-islamistischen Taliban in Afghanistan hat die EU wieder eine
offizielle Vertretung in der Hauptstadt Kabul. Die EU habe begonnen,
wieder eine «minimale Präsenz» internationaler Delegationsmitarbeiter

einzurichten, um die Lieferung von humanitärer Hilfe zu erleichtern
und die humanitäre Lage zu überwachen, sagte ein Sprecher des
EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Freitag. Er betonte, dass dies
auf keinen Fall als Zeichen der Anerkennung der Taliban-Regierung
verstanden werden dürfe. Dies sei auch den «De-facto-Behörden» klar

kommuniziert worden.

Die Taliban hatten zuvor mitgeteilt, dass nach mehreren Treffen und
einer Einigung mit EU-Vertretern die EU «ihre Botschaft mit einer
permanenten Präsenz offiziell eröffnet und praktisch den Betrieb
aufgenommen» habe. Aus EU-Kreisen hieß es, ein Botschafter werde
nicht vor Ort sein.

Seit der militärischen Machtübernahme der Taliban im August 2021 sind
die Botschaften westlicher Länder in Kabul geschlossen, darunter auch
die deutsche Botschaft. Die diplomatischen Missionen anderer Länder
wie Russland, China oder von Nachbarstaaten sind aktuell geöffnet und
mit Botschaftern besetzt. Seit der Schließung der US-Botschaft in
Kabul vertritt das Golfemirat Katar die Interessen der Vereinigten
Staaten in Afghanistan. Bisher hat kein Land der Welt die
Taliban-Regierung anerkannt. Westliche Länder machen dies unter
anderem von der Einhaltung von Menschen- oder Frauenrechten sowie der
Inklusivität der Regierung abhängig.

Afghanistan selbst befindet sich angesichts eingestellter
Milliardenhilfen und Sanktionen in einer schweren wirtschaftlichen
und humanitären Krise. Nach UN-Angaben dürften in diesem Jahr 4,7
Millionen Menschen in Afghanistan an schwerer Unterernährung leiden,

davon 3,9 Millionen Kinder. 131 000 Kindern drohe ohne zusätzliche
Hilfe der Hungertod.