Lagarde: Derzeit keine gefährliche Lohn-Preis-Spirale im Euroraum

21.01.2022 14:51

Frankfurt/Main (dpa) - Europas Währungshüter gehen weiterhin von
sinkenden Teuerungsraten im laufenden Jahr aus. Allerdings sei der
Ausblick «mit großer Unsicherheit behaftet», sagte die Präsidentin

der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am Freitag bei
einer Online-Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums Davos.

In den vergangenen Monaten haben die Inflationsraten kräftig
angezogen. In Deutschland lagen die Verbraucherpreise im Dezember um
5,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Damit kletterte die
Teuerungsrate in Europas größter Volkswirtschaft auf den höchsten
Stand seit Juni 1992. Im Euroraum lag die Inflation im Dezember bei
5,0 Prozent und damit so hoch wie noch nie seit der Euro-Einführung.
Vor allem der starke Anstieg der Energiepreise sowie Lieferengpässe
heizten die Teuerung an.

Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil
sie sich für einen Euro weniger kaufen können als zuvor. Kritiker
werfen der EZB vor, mit ihrer ultralockeren Geldpolitik inklusive
milliardenschwerer Anleihenkäufe die Teuerung noch anzuheizen. Die
Notenbank strebt im gemeinsamen Währungsraum ein stabiles Preisniveau
bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an und ist zumindest
zeitweise bereit zu akzeptieren, dass diese Marke moderat über- oder
unterschritten wird.

Eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale, die die Inflation dauerhaft nach
oben treiben könnte, sieht die EZB bislang nicht, wie Lagarde
bekräftigte. Zumindest im Moment gebe es keine Anzeichen, dass die
Inflationsentwicklung dadurch außer Kontrolle geraten könnte. «Im
Gegenteil: Wir gehen davon aus, dass sich die Energiepreise im Laufe
des Jahres 2022 stabilisieren werden (...) und dann werden die
Inflationsraten allmählich zurückgehen», sagte Lagarde.

Einer baldigen Zinserhöhung im Euroraum hatte die EZB-Präsidentin
wiederholt eine Absage erteilt. «Wir werden in ein paar Monaten neue
Projektionen haben. Diese könnten anders aussehen, und zu diesem
Zeitpunkt werden wir uns unseren Fahrplan ansehen müssen», sagte
Lagarde nun mit Blick auf die für März erwarteten neuen Prognosen der
Notenbank zur Entwicklung von Inflation und Konjunktur im Euroraum.
Lagarde betonte mit Blick auf das Inflationsziel der Notenbank: «Wir
werden handeln, sobald die Kriterien erfüllt sind, aber im Moment
sind sie nicht erfüllt.»