Volkswagen: EU-CO2-Vorgaben in Konzern und Kernmarke geschafft

24.01.2022 15:48

2020 hatte der größte europäische Autobauer - bisher verantwortlich
für gut ein Prozent der globalen CO2-Emissionen - die Grenzwerte der
EU knapp verfehlt. 2021 soll es nun geklappt haben, heißt es nach
Darstellung von VW. Aber auch die Bedingungen änderten sich.

Wolfsburg/Brüssel (dpa) - Volkswagen hat 2021 mit seinen verkauften
Neuwagen die angepassten CO2-Flottenziele der EU nach eigenen Angaben
im Gesamtkonzern und in der Kernmarke eingehalten. Dies zeigten
vorläufige Daten, teilten die Wolfsburger am Montag mit. 2020 hatte
die Gruppe in der Summe die Vorgaben knapp verfehlt.

Wie es nun hieß, soll der durchschnittliche Kohlendioxidausstoß der
in den EU-Ländern ausgelieferten Pkw im vergangenen Jahr bei 118,5
Gramm je gefahrenem Kilometer gelegen haben. Das ist unterhalb der
für den Konzern geltenden Schwelle von 120,8 Gramm.

Ein direkter Vergleich mit den Vorjahreswerten ist kaum möglich, weil
2020 andere Grundlagen für Emissionstests galten. Im alten System
(NEFZ) war für die VW-Gruppe ein zu hoher Wert herausgekommen: gut
ein Gramm über dem Ziel von 98,8 Gramm. Für den mit kleineren
Anbietern gebildeten maßgeblichen CO2-Pool war es ein halbes Gramm zu
viel. Offiziell nannte VW 99,9 Gramm für die EU, Norwegen und Island.

Die neuen Zahlen fußen hingegen auf dem WLTP-Standard, der anstelle
von Messungen auf dem Prüfstand den tatsächlichen Fahrbetrieb in den
Mittelpunkt rückt. Der so ermittelte Abgasausstoß kann höher
ausfallen - etwa weil Strecken unter Last, mit häufigerem Anfahren
und Abbremsen oder mit höherem Tempo einbezogen werden. Zudem war
Großbritannien 2021 nicht mehr in der EU, so dass dessen Daten
zuletzt nicht in dieser Kategorie berücksichtigt wurden.

Die Hauptsparte VW Pkw hatte bereits 2020 innerhalb der zulässigen
Grenzen abgeschlossen. Sie erreichte zunächst - auch dank des Starts
der vollelektrischen ID-Reihe - einen Flottenschnitt von 92 Gramm je
Kilometer, 5 Gramm unter dem für sie geltenden Ziel. Nach
WLTP-Kriterien und für das Jahr 2021 seien für die EU-Neuwagenflotte
113 Gramm festgestellt worden, berichtete das Unternehmen. Gesetzlich
erlaubt gewesen wären demnach 119 Gramm.

Durch die Chip-Lieferkrise waren die Gesamtverkäufe von VW im vorigen
Jahr abgerutscht. Betrachtet man nur die hybriden und
vollelektrischen Autos, sah die Absatzstatistik gegenüber 2020
deutlich besser aus. Dabei schaffte die Kernmarke ein Plus von rund
73 Prozent auf 369 000 Exemplare, darunter 263 000 reine Stromer.
Konzernweit gelang bei Fahrzeugen mit ausschließlichem E-Motor fast
eine Verdoppelung auf 453 000 Stück. In der EU einschließlich
Norwegen und Island soll der Anteil bei 17,2 Prozent der
Auslieferungen liegen - rechnet man Hybride ein.

Daran entzündet sich auch Kritik. Viele Klimaschützer halten
Mischantriebe, bei denen der Verbrenner einen Großteil der Zeit
mitläuft, für eine ökologische Mogelpackung. Greenpeace reagierte am

Montag auf die Daten verhalten. Der Trend gehe in die richtige
Richtung, sagte Verkehrsexperte Benjamin Stephan. Aber: «Damit
Volkswagens CO2-Angaben einen Wert haben, muss der Konzern den
steigenden Absatz von Plug-in-Hybriden stoppen. Tatsächlich heizen
sie die Klimakrise mit einem drei- bis fünffach höheren CO2-Ausstoß
an und machen Flottenangaben so unglaubwürdig.»

Die gesamte VW-Gruppe war bisher für schätzungsweise ein Prozent der
globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Bis 2050 will der Konzern
bilanziell klimaneutral sein - also nicht mehr Treibhausgase in die
Atmosphäre freisetzen, als gleichzeitig zum Beispiel von Ozeanen oder
Pflanzen gebunden sowie mit ergänzenden Maßnahmen ausgeglichen wird.
Nach dem Beschluss des «Green Deals» der EU im Frühjahr 2021 setzte
sich der Hersteller erweiterte Klimaziele. Bis Ende 2026 sollen 60
Milliarden Euro in E- und Hybridtechnik fließen.

Skeptiker stören sich auch daran, dass die VW-Gruppe als Ganzes
konkrete Enddaten für den Verkauf von Verbrennern scheut. Bislang
haben nur manche Einzelmarken Teilziele für Produktion und
Entwicklung ausgesprochen. Greenpeace-Vertreter Stephan forderte
VW-Chef Herbert Diess zu einem «raschen und verbindlichen Ausstieg
mindestens in Europa» auf.

Die EU-Kommission muss die Abgaswerte der Autohersteller noch
bestätigen. Seit 2020 gelten in der EU verschärfte Vorgaben für den
CO2-Ausstoß. Branchenweit sollte dieser bei 95 Gramm pro gefahrenem
Kilometer liegen. Es bestehen allerdings Übergangsregeln, und jeder
Hersteller hat je nach Marktposition und Schwere der produzierten
Fahrzeuge individuelle Ziele zu erfüllen.

Außerdem gab es «Supercredits» zur Anrechnung von E-Modellen, womit
der relative Beitrag von Verbrennern gedrückt werden kann. Weichen
reale CO2-Werte insgesamt weit von den Zielen ab, drohen Strafen, die
sich im Fall großer Spannen bis zu Milliardensummen addieren können.