Militärputsch in Burkina Faso - Angst vor Instabilität in Westafrika Von Kristin Palitza und Xavier Belemgnégré, dpa

24.01.2022 21:08

Meuternde Soldaten haben die Regierung in Burkina Faso gestürzt. Es
ist der vierte Putsch in Westafrika innerhalb von rund 18 Monaten. In
Burkina Faso, Mali und Guinea regiert nun das Militär. Gerät die
Stabilität der ganzen Region ins Wanken?

Ouagadougou (dpa) - Meuternde Soldaten haben Burkina Fasos Präsident
Roch Marc Kaboré gestürzt und die Macht in dem westafrikanischen
Krisenstaat übernommen. Das teilte ein Sprecher der Putschisten im
Staatsfernsehen mit. Die Regierung sei aufgelöst, die Verfassung
außer Kraft gesetzt worden, sagte Sidsoré Kader Ouedraogo, der im
Auftrag der Patriotischen Bewegung für den Schutz und die
Wiederherstellung (MPSR) sprach. Man wolle Gewalt und Blutvergießen
vermeiden.

Die MPSR werde bald bekanntgeben, wie und wann Burkina Faso zur
Demokratie zurückkehren werde, sagte Ouedraogo weiter. Die Grenzen
des Landes blieben für mindestens vier Tage geschlossen, zudem gelte
zwischen 21 und 5 Uhr eine Ausgangssperre.

Wenige Stunden zuvor war Kaboré festgesetzt und in ein Militärcamp in
der Hauptstadt Ouagadougou gefahren worden. Lokale Medien
verbreiteten Fotos des mit Schusslöchern übersäten Autos des
Präsidenten. Am Montagnachmittag meldete sich Kaboré dann über
Twitter zu Wort und bat die Soldaten, die Waffen niederzulegen und
sich auf einen Dialog einzulassen. Die westafrikanische
Staatengemeinschaft Ecowas und die Afrikanische Union erklärten, sie
unterstützten die Regierung. Die US-Botschaft in Ouagadougou blieb
«aufgrund der anhaltenden Sicherheitsbedenken» geschlossen.

Die Europäische Union forderte am Abend die sofortige Freilassung von
Kaboré und anderen festgesetzten Angehörigen staatlicher
Institutionen. Sie rief zudem die Sicherheitskräfte und Militärs auf,
ihre Ansprüche gewaltlos geltend zu machen und ihrer primären Aufgabe
des Schutzes der Bevölkerung und der Verteidigung des Territoriums
treu zu bleiben. Man appelliere an alle Akteure, Ruhe zu bewahren und
Zurückhaltung zu üben, hieß es in einer Erklärung des
EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

Erst Mitte Januar hatte die Armee mehrere Soldaten eines
Putschversuchs beschuldigt und festgenommen. Doch auch im Volk war
Kaboré längst nicht unumstritten: Am Samstag forderten Hunderte
Demonstranten in der Hauptstadt seinen Rücktritt.

Burkina Faso befindet sich vor allem wegen des zunehmenden
islamistischen Terrors in der Sahelzone in einer schweren Krise.
Viele Milizen, die zum Teil dem Islamischen Staat (IS) oder der
Terrororganisation Al-Kaida die Treue geschworen haben, agieren über
die Grenzen zu Mali und dem Niger hinweg. Mehr als eine Million der
21 Millionen Landesbewohner gelten als Binnenvertriebene.

Der Unmut innerhalb der Bevölkerung, die Kaboré und seiner Regierung
Handlungsunfähigkeit vorwirft, hat in den vergangenen Monaten stark
zugenommen. Auch langwierige Dürren und Hungersnöte machen dem trotz
seines Goldreichtums verarmten Land zu schaffen.

Die Regierungen Burkina Fasos und seiner Nachbarn haben in den
wüstenartigen Weiten außerhalb der Städte wenig Kontrolle. Mit Mali,

Mauretanien, dem Tschad und dem Niger hat sich Burkina Faso deshalb
zur G5-Sahel-Gruppe zusammengeschlossen, um die Terrorgruppen zu
bekämpfen. Auch Deutschland und Frankreich unterstützen das Bündnis.

Über Burkina Faso reisen viele Menschen in den Niger, eines der
wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die das
Mittelmeer erreichen und nach Europa übersetzen wollen.

Der Putsch in Burkina Faso ist der vierte in Westafrika binnen rund
18 Monaten und schürt Ängste, die gesamte Region könne destabilisiert

werden. Das Nachbarland Mali, wo auch die Bundeswehr mit etwas mehr
als 1350 Soldatinnen und Soldaten stationiert ist, hat im August 2020
sowie Mai 2021 Militärputsche erlebt und gilt als politisch äußerst
instabil. Auch im weiter westlichen gelegenen Guinea ist seit der
gewaltsamen Absetzung von Präsident Alpha Condé im September das
Militär an der Macht.

Im Norden Burkina Fasos gilt das an Mali und den Niger grenzende
Länderdreieck seit Monaten als Sperrgebiet. Besonders hier erlitt die
Armee große Verluste im Kampf gegen den Terror. Als Extremisten im
November in der nördlichen Stadt Inata 49 Militärpolizisten und vier
Zivilisten töteten, gab es einen Sturm der Entrüstung.

Soldaten verlangten mehr Lohn und bessere Ausstattung im Kampf gegen
die Islamisten. Anschuldigungen, die Regierung kümmere sich nicht
ausreichend um die Familien verletzter oder getöteter Streitkräfte,
mehrten sich. Berichte über fehlende Lebensmittelrationen und
schäbige Kasernen führten zu Protesten. Immer mehr Soldaten und
Zivilisten forderten den Rücktritt Kaborés. Der setzte zwar im
Dezember auf Druck der Öffentlichkeit seinen Premierminister ab und
bildete eine neue Regierung - doch handfeste Reformen folgten nicht.

«Kaboré hat versucht, die Öffentlichkeit zu besänftigen, indem er
seine Regierung umbildete, verschiedene Ebenen der Militärführung
ersetzte und regierungskritische Proteste verbot», sagte Alexandre
Raymakers, politischer Analyst der Sicherheitsberatungsfirma Verisk
Maplecroft. Dies habe die Wut der Menschen jedoch nicht eindämmen
können.