Scholz und Macron warnen Russland vor einem Angriff auf Ukraine

25.01.2022 19:30

Demonstrativer Schulterschluss im Ukraine-Konflikt: Bevor in dieser
Woche weitere Gespräche anstehen, warnen Scholz und Macron die
Führung in Russland gemeinsam vor den schweren Folgen einer
Eskalation.

Berlin/Moskau (dpa) - Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische
Staatschef Emmanuel Macron haben Russland vor schweren Konsequenzen
einer weiteren militärischen Aggression gegen die Ukraine gewarnt.
Die Führung in Moskau habe viele Truppen entlang der Grenze zum
Nachbarland stationiert und müsse dringend zur Deeskalation
beitragen, forderte Scholz am Dienstag im Berliner Kanzleramt, wo er
den Franzosen zu einem Antrittsbesuch empfing. Macron sagte, man
bereite eine gemeinsame Reaktion für den Fall eines Angriffs vor und
warnte: «der Preis wäre sehr hoch.»

Deutschland und Frankreich seien in dem Konflikt geeint, sagte
Macron. Er wies zudem erneut darauf hin, dass der Dialog mit Russland
nicht abgebrochen werden dürfe. Scholz machte aber klar, dass von
Russland «eindeutige Schritte, die zu einer Deeskalation der
Situation beitragen», erwartet würden.

Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches in der Nähe
der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch
in das Nachbarland planen könnte. Für möglich wird allerdings auch
gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten
zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu
bewegen.

Erstmals seit Beginn der aktuellen Spannungen wollen am Mittwoch
offizielle Vertreter beider Konfliktländer zu Gesprächen
zusammenkommen. Ein Treffen auf Beraterebene ist in Paris geplant.
Auch Frankreich und Deutschland sollen an der Zusammenkunft im
sogenannten Normandie-Format teilnehmen. Wie es aus Élyséekreisen
hieß, soll es in den Gesprächen um humanitäre Maßnahmen und
Zukunftsüberlegungen der Ukraine gehen. Außerdem wolle man ein Datum
finden, an dem die Ukraine mit den kremltreuen Separatisten über
einen Sonderstatus für die Region Donbass verhandelt. Die Ukraine
lehnte dies bisher offiziell ab. Sie sieht Moskau und nicht die
Separatisten als Verhandlungspartner.

Deutschland und Frankreich vermitteln in dem seit 2014 andauernden
Konflikt. Ihr verhandelter Friedensplan liegt jedoch auf Eis. Nach
UN-Schätzungen wurden bei Kämpfen zwischen ukrainischen
Regierungstruppen und kremltreuen Separatisten in der ukrainischen
Region Donbass mehr als 14 000 Menschen getötet.

Macron will am Freitag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin
telefonieren und ihm einen Weg der Deeskalation vorschlagen. Dem
französischen Staatschef zufolge geht es in dem Gespräch darum,
Bilanz zu ziehen und einige Punkte zu klären. Aus Élyséekreisen hie
ß
es, Macron wolle Konsequenzen eines Angriffs klarmachen, glaube aber
auch an die Möglichkeit einer Deeskalation. Macron setzt in dem
Konflikt auf zahlreiche Dialogformate. Immer wieder betont er, dass
es das Gespräch mit Russland brauche.

Die USA bereiten sich gemeinsam mit ihren Verbündeten auf eine
mögliche Reduzierung russischer Gaslieferungen nach Europa im Falle
einer Eskalation vor. «Wir arbeiten mit Ländern und Unternehmen auf
der ganzen Welt zusammen, um die Versorgungssicherheit zu
gewährleisten und Preisschocks sowohl für die amerikanische
Bevölkerung als auch die Weltwirtschaft abzufedern», sagte ein
hochrangiger US-Regierungsmitarbeiter am Dienstag in Washington. «Wir
sind in Gesprächen mit großen Erdgasproduzenten rund um den Globus,
um deren Kapazität und Bereitschaft zur zeitweisen Erhöhung der
Erdgasproduktion zu ermitteln und diese Mengen europäischen Abnehmern
zuzuweisen.»

Vor dem Hintergrund der Spannungen mit der Nato haben mehr als 1000
russische Soldaten der Panzertruppe Übungen abgehalten. Sie dienten
der Überprüfung der Gefechtsbereitschaft, teilte das
Verteidigungsministerium n Moskau mit. 100 Einheiten von Waffen-,
Kampf- und Spezialtechnik seien dabei im Moskauer Gebiet eingesetzt
worden. Auch auf der von Russland einverleibten Halbinsel Krim im
Schwarzen Meer hätten Panzer mehrere Schießübungen auch in unwegsamem

Gelände absolviert, hieß es weiter. Den Übungen schloss sich demnach

auch die Marine an, so die Schwarzmeerflotte und die Kaspische
Flottille. Russland hatte zuletzt bereits mehrere Marine-Manöver mit
140 Kriegsschiffen bis Ende Februar angekündigt.