Kleinstparteien droht Sperrklausel für Europawahlen

10.03.2022 14:03

Straßburg (dpa) - Deutsche Kleinstparteien wie die Freien Wähler und
die Satirepartei Die Partei müssen befürchten, wegen einer möglichen

neuen Sperrklausel nach der nächsten Europawahl 2024 nicht mehr ins
EU-Parlament einzuziehen. Die Verhandlungsführer der größten
Fraktionen im EU-Parlament einigten sich am Mittwochabend auf eine
gemeinsame Position zur Reform des Europawahlrechts. Diese sieht die
Einführung einer Sperrklausel in den bevölkerungsreichsten EU-Staaten
vor, darunter Deutschland. Die Piratenpartei nannte die Pläne am
Donnerstag einen «Anschlag auf unsere Demokratie».

Die Sperrklausel würde bedeuten, dass Parteien, die weniger als 3,5
Prozent der Stimmen erreichen, nicht im Straßburger Parlament
vertreten wären. Nach Angaben des Grünen-Abgeordneten Daniel Freund
soll es aber Ausnahmen für Parteien wie etwa Volt geben, die in
mindestens sieben Ländern antreten.

Bevor die Pläne Realität werden könnten, müsste zuerst das
EU-Parlament als Ganzes zustimmen, dann läge die Entscheidung bei den
Mitgliedstaaten. Daher ist unklar, ob die Reform tatsächlich
rechtzeitig vor der nächsten Europawahl beschlossen würde, die
voraussichtlich im Frühjahr 2024 stattfinden soll. Rechtsexperten
empfehlen, das Wahlrecht in den zwölf Monaten vor einer Wahl nicht
mehr entscheidend zu ändern. In Deutschland hatte es früher eine im
Bundesrecht geregelte Sperrklausel von drei Prozent für Europawahlen
gegeben, die das Bundesverfassungsgericht aber 2014 für nichtig
erklärte. Die nun angedachte Reform wäre eine europaweite Regelung.

Der Piraten-Europaabgeordnete Patrick Breyer erklärte: «Mit der
geplanten Sperrklausel von 3,5 Prozent wären bei der letzten
Europawahl 3,1 Millionen Wählerstimmen für sechs kleine Parteien wie
die Piratenpartei, Freie Wähler und Die Partei wertlos verfallen und
deren Parlamentssitze stattdessen an das politische Establishment
gegangen.» Die EU-Wahlrechtsreform dürfe nicht von größeren Parteie
n
benutzt werden, um ihre Stimmeneinbußen bei Wählern zu kompensieren.

Die Reformpläne der Fraktionen sehen neben der Sperrklausel auch die
Einführung transnationaler Listen vor, die zu gleichen Teilen mit
Männern und Frauen besetzt sein sollen. Nach den Vorstellungen der
Verhandlungsführer sollen 28 neue Sitze im EU-Parlament geschaffen
werden, die über solche europaweiten Listen gefüllt würden. Die
Wähler bekämen dafür eine zweite Stimme.