Scholz spricht mit Putin - EU gibt weitere 500 Millionen für Waffen

13.05.2022 20:04

Die EU stellt der Ukraine im Kampf gegen Russland viel Geld für den
Kauf schwerer Waffen zur Verfügung. Schweden könnte bald an die Tür
der Nato klopfen. Und der deutsche Kanzler greift zum Telefon.

Kiew (dpa) - Deutschland sucht im Ukraine-Konflikt wieder den
direkten Draht zu Moskau. Bundeskanzler Olaf Scholz forderte den
russischen Präsidenten Wladimir Putin am Freitag in einem Telefonat
dazu auf, so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand im
Ukraine-Krieg zu kommen. Außenministerin Annalena Baerbock kündigte
eine konzertierte Antwort der G7-Gruppe auf die weltweiten Folgen des
russischen Angriffskriegs in der Ukraine an - wie die sich
abzeichnende Ernährungskrise. Die EU wird weitere 500 Millionen Euro
für schwere Waffen und Ausrüstung für die Ukraine bereitstellen.

Die strategische Niederlage Russlands ist nach Ansicht des
ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj inzwischen unübersehbar.
«Sie sind Feiglinge und versuchen, diese Wahrheit hinter neuen
Raketen-, Luft- und Artillerieangriffen zu verbergen», sagte
Selenskyj in einer Videobotschaft.

75-minütiges Gespräch zwischen Scholz und Putin

In dem Telefonat am Freitagvormittag habe Scholz eine Verbesserung
der humanitären Lage und Fortschritte bei der Suche nach einer
diplomatischen Lösung des Konflikts gefordert, wie Regierungssprecher
Steffen Hebestreit mitteilte. Laut Hebestreit sprachen der Kanzler
und Putin zudem über die globale Lebensmittelversorgung, die wegen
des russischen Angriffskriegs angespannt ist. «Der Bundeskanzler
erinnerte daran, dass Russland hier in besonderer Verantwortung
steht», schrieb der Regierungssprecher. Aus dem Kreml hieß es zu dem
Gespräch, Putin habe «ausführlich» über Russlands Ziele in der
Ukraine informiert. Ein Fokus des Gesprächs habe auf humanitären
Aspekten gelegen. Scholz hatte nach Kriegsbeginn mehrfach mit Putin
telefoniert, dann brach der Kontakt aber ab.

Scholz will keinen Diktatfrieden für die Ukraine akzeptieren

Scholz sagte später auf einer Wahlkampfveranstaltung in Köln, in
Russland sei noch nicht verstanden worden, dass Frieden nicht möglich
werde, wenn Moskau sich mit militärischer Gewalt ein Stück von der
Ukraine nehme, sondern nur «mit einer Verständigung, einer
Vereinbarung, einem Friedensschluss zwischen der Ukraine und
Russland, der kein Diktatfrieden ist». Scholz sagte weiter: «Wir
werden keinen Diktatfrieden akzeptieren für die Ukraine.»

Verteidigungsminister Russlands und USA reden wieder miteinander

Erstmals seit Kriegsausbruch am 24. Februar haben die
Verteidigungsminister der USA und Russlands, Lloyd Austin und Sergej
Schoigu, miteinander gesprochen. Ein hoher Mitarbeiter des Pentagons
sagte danach, das rund einstündige Telefonat habe keine «akuten
Probleme» gelöst oder zu einer direkten Änderung dessen geführt, wa
s
die Russen täten oder sagten.

G7 zu weiteren Hilfen bereit

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba rief die Gruppe der
führenden demokratischen Industrienationen am Freitag nach
gemeinsamen Beratungen in einem Luxushotel nahe dem Weißenhäuser
Strand (Schleswig-Holstein) zu mehr Tempo und Mut bei
Waffenlieferungen auf. Als wichtig für die Ukraine nannte Kuleba die
Lieferung von Mehrfachraketenwerfern und die Verstärkung der
ukrainischen Luftstreitkräfte. Er bat auch darum, Gesetze zu
verabschieden, um Vermögenswerte des russischen Staates zu
beschlagnahmen und der Ukraine für den Wiederaufbau des Landes zur
Verfügung zu stellen.

Die britische Außenministerin Liz Truss sagte: «Um der Ukraine zu
helfen, müssen wir noch weiter und schneller vorangehen.» Dies
bedeute auch, dass der Ukraine ein klarer Weg zur Beschaffung von
militärischer Ausrüstung nach Nato-Standard aufgezeigt werden müsse.

Bislang nutzt das von Russland angegriffene Land überwiegend
Ausrüstung, die noch in der damaligen Sowjetunion entwickelt wurde.

Schwedische Analyse zeigt Vorteile eine Nato-Mitgliedschaft

Eine Sicherheitsanalyse zeigt in Schweden Vorteile eines
Nato-Beitritts des bislang bündnisfreien Landes auf. «Eine
schwedische Nato-Mitgliedschaft würde die Schwelle für militärische
Konflikte erhöhen und damit einen konfliktpräventiven Effekt in
Nordeuropa haben», heißt es in der am Freitag veröffentlichten
Analyse. Eine klare Empfehlung für oder gegen einen Beitritt liefert
das Dokument zwar nicht. Es gilt aber als Grundlage für einen
Beschluss des skandinavischen EU-Landes zu einer möglichen
Nato-Mitgliedschaft. Das traditionell bündnisfreie Schweden könnte
damit wie das benachbarte Finnland umschwenken. Eine Entscheidung ist
in wenigen Tagen zu erwarten.

Weiter Ringen um Rettung der Soldaten aus Stahlwerk Azovstal

Mit internationaler Unterstützung setzt die ukrainische Führung ihre
Bemühungen fort, Soldaten im belagerten Stahlwerk Azovstal in der
Hafenstadt Mariupol zu retten. «Wir haben eine neue Runde der
Verhandlungen eröffnet» sagte Vize-Regierungschefin Iryna
Wereschtschuk. Kiew habe den UN und dem Internationalen Komitee vom
Roten Kreuz das Mandat zu den Gesprächen mit der russischen Seite
erteilt, die Türkei sei inzwischen als Vermittler dabei. An erster
Stelle stehe die Rettung von 38 schwer verwundeten Verteidigern aus
Azovstal. Im weitläufigen Stahlwerk in der Hafenstadt haben sich die
letzten ukrainischen Verteidiger verschanzt. Russland lehnt bisher
jede Evakuierung ab, fordert von den Ukrainern eine Kapitulation.

Selenkyj weiter zu direkten Gesprächen mit Putin bereit

Selenskyj ist weiter zu direkten Verhandlungen mit Kremlchef Wladimir
Putin bereit, stellt dafür aber Bedingungen. «Doch nur mit ihm, ohne
dessen Mittler und nur unter der Bedingung eines Dialogs statt eines
Ultimatums», sagte der 44-Jährige in einem am Freitag
veröffentlichten Interview mit dem italienischen Fernsehen. Zugleich
schränkte er ein, dass die ukrainische Gesellschaft solch einem
Gespräch jetzt «nicht positiv» gegenüber stehe. Dagegen wiederholte

Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag die russische Position, dass
ein Treffen der beiden Staatschefs erst stattfinden könne, wenn es
eine verbindliche Vereinbarung zwischen Moskau und Kiew gebe.

Russische Sanktionen weiterhin ohne Auswirkung auf Gasversorgung

Die von Russland angekündigten Sanktionen gegen Unternehmen im
Energiesektor zeigen weiterhin keine Auswirkungen auf die
Gasversorgung in Deutschland. Nach Angaben der Bundesnetzagentur vom
Freitag ist die Versorgung stabil und die Versorgungssicherheit ist
weiter gewährleistet. Durch Sanktionsmaßnahmen ausbleibende Gasmengen
würden aktuell in vollem Umfang über den europäischen Gasmarkt
beschafft. Russland hatte am Mittwoch Sanktionen gegen die Firma
Gazprom Germania und andere ehemalige Tochterunternehmen des
russischen Gaskonzerns verhängt. Außerdem wurde der Gas-Transit durch
das Gebiet Luhansk im Osten der Ukraine gedrosselt.