Frankreichs Notenbankchef: EZB peilt keine großen Zinsschritte an

24.05.2022 12:05

Davos (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert nach
Darstellung von Frankreichs Notenbankchef auf eher graduelle
Zinsanhebungen zu. Eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte sei zum
jetzigen Zeitpunkt nicht Konsens im EZB-Rat, sagte der französische
Notenbanker Francois Villeroy de Gallhau am Dienstag auf dem
Weltwirtschaftsforum in Davos dem Nachrichtensender Bloomberg TV. Das
spricht für Zinsschritte um 0,25 Punkte.

Am Vortag hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine erste
Zinsanhebung seit elf Jahren für Juli in Aussicht gestellt und ein
Ende der Negativzinsen bis zum Spätsommer signalisiert. «Es wird eine
Normalisierung unserer Geldpolitik sein, es ist keine Straffung»,
sagte Villeroy dazu. «Was wir tun ist, vom Gaspedal zu gehen.» Zuvor
hatte Lagarde in Davos gesagt, die EZB dürfe geldpolitisch nichts
überstürzen oder gar in Panik verfallen.

Villeroy sagte, das Tempo der geldpolitischen Wende hänge von
Inflations- und Konjunkturdaten ab. Ziel sei es, den Leitzins im
nächsten Jahr auf ein «neutrales» Niveau zu bringen, das der Franzose

zwischen ein und zwei Prozent vermutet. Der neutrale oder natürliche
Leitzins ist eine Art Gleichgewichtszins, bei dem weder Inflation
noch Wirtschaftswachstum die Oberhand haben.

Hintergrund der geldpolitischen Wende im Euroraum ist die hohe
Inflation von zuletzt 7,4 Prozent. Verglichen mit anderen
Zentralbanken reagiert die EZB spät mit Zinsanhebungen auf den
Teuerungsschub. Die US-Notenbank Fed hat ihren Leitzins schon zweimal
angehoben, zuletzt sogar um 0,5 Punkte. Auch andere Zentralbanken wie
die Bank of Canada oder die Notenbank Neuseelands haben ihren
Leitzins zuletzt in diesem Ausmaß angehoben, um möglichst entschieden
auf die hohe Inflation zu reagieren.