) Mehr als Jachten: Vermögen russischer Oligarchen schwer zu greifen Von Andrej Sokolow, dpa

20.06.2022 16:10

Durch Sanktionen nach Russlands Invasion in die Ukraine wurden
Milliarden an Vermögen russischer Superreicher festgesetzt. Doch die
Villen, Privatjets und Luxusjachten sind nur die sichtbaren Symbole
ihres Reichtums.

Berlin (dpa) - Superjachten waren bei russischen Milliardären lange
die beliebteste Art, ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Nicht jeder
konnte sich schließlich einen Spitzen-Fußballverein kaufen, wie es
Roman Abramowitsch mit Chelsea machte. Und bei den schwimmenden
Statussymbolen, oft in deutschen Werften gebaut, konnten sich die
Superreichen in Größe, Luxus und Protz messen. Ein Boot hat sechs
Decks und einen Pool? Nichts, was man nicht mit acht Decks, zwei
Hubschrauberlandeplätzen statt einem oder der Ästhetik eines
Panzerkreuzers toppen könnte.

Doch mit den westlichen Sanktionen gegen die russische Elite nach
Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden die zum Teil
hunderte Millionen Euro teuren Schiffe ein augenscheinlich leichtes
Ziel. Denn sie verbringen viel Zeit in Häfen oder zur Wartung in
Werften. Und so wurden unter anderem in Spanien und Italien schnell
mehrere Luxusjachten festgesetzt, andere traten die Flucht in Häfen
unter anderem in der Türkei an, wo ihre Besitzer sie zunächst vor
Sanktionen sicher wähnen. Doch selbst auf Fidschi beschlagnahmten
US-Behörden nach einem juristischen Tauziehen die zuvor in Mexiko
gesehene 150 Meter lange «Amadea», die dem Gold-Milliardär Suleiman
Kerimow zugeordnet wird. Das Schiff kam inzwischen unter US-Flagge
auf Hawaii an.

«Zugeordnet» ist hier allerdings ein Schlüsselwort, denn die
Besitzverhältnisse bei russischem Milliardärsvermögen sind so gut wie

nie offenkundig. So ist als Eigentümer der über 300 Millionen Euro
teuren «Amadea» die Firma Millemarin Investment Ltd. eingetragen und
es gibt unterschiedliche Angaben dazu, wer sich dahinter verbirgt. So
sagen Millemarin-Anwälte, das Schiff gehöre dem russischen Milliardär

Eduard Chudainatow, der nicht von Sanktionen betroffen sei.

Beispiel Tui: Hauptaktionär des Reiseriesen war lange der russische
Stahlmagnat Alexej Mordaschow. Die EU nahm den als kremltreu
geltenden Milliardär Ende Februar auf ihre Sanktionsliste. Doch kurz
davor hatte er formell den weitgehenden Rückzug aus dem Kreis der
Tui-Eigentümer eingeleitet. Sein Anteil an der Firma Unifirm, die
27,16 Prozent an Tui hält, wurde an die Beteiligungsgesellschaft
Ondero verkauft. Als «kontrollierende Gesellschafterin» von Ondero
wird Marina Mordaschowa genannt - seine Ehefrau. Allerdings kam auch
sie später auf die Sanktionsliste. Und die Übertragung der Anteile
ist «schwebend unwirksam», da das Bundeswirtschaftsministerium den
Verkauf von Unifirm untersucht. So haben im Moment weder Mordaschow,
der noch 3,75 Prozent über seine Firma Severgroup hält, noch seine
Ehefrau Zugriff auf die Anteile, wie Tui betont.

Versuche, bei Milliardären aus Russland durchzugreifen, sind oft
schwierig. «Russische Eliten und Oligarchen sind vermutlich unter den
besten auf der Welt darin, ihren Reichtum zu verbergen», sagte der
«Washington Post» ein ranghoher Beamter des US-Finanzministeriums,
der eine führende Rolle bei der Umsetzung der Sanktionen spielt. Die
exponierten Luxusjachten, Villen und Privatjets seien relativ einfach
zu greifen. Kompliziert sei es aber, durch Firmenverschachtelungen
durchzusteigen, hinter denen das eigentliche Vermögen versteckt sei.

Durch EU-Sanktionen wurde russischen Oligarchen und anderen
Unterstützern des Krieges gegen die Ukraine bisher Vermögen im Wert
von etwas mehr als 12,5 Milliarden Euro eingefroren, wie ein Sprecher
der EU-Kommission am Montag sagte. Darunter seien Jachten,
Hubschrauber, Immobilien und Kunstwerke. In den vergangenen Wochen
seien besonders in Deutschland zahlreiche Vermögenswerte ausfindig
gemacht und gesperrt worden, hieß es aus Kommissionskreisen.

Die EU-Kommission schlug auch bereits vor, das Umgehen von Sanktionen
als Straftat zu definieren. Damit könnten russische Oligarchen
leichter enteignet werden, wenn sie EU-Sanktionen unterlaufen.

Angesichts der Zerstörung, die russische Truppen tagtäglich in der
Ukraine anrichten, werden auch Rufe lauter, beschlagnahmte
Oligarchen-Vermögen für den Wiederaufbau zu verwenden. Zuletzt hatte
sich nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch
Bundesjustizminister Marco Buschmann offen dafür gezeigt.
Voraussetzung sei, dass vor Gericht nachgewiesen werde, dass
Verdächtige etwa an Kriegsverbrechen oder der illegalen Kriegsführung
beteiligt waren, schränkte der FDP-Politiker ein. Ob es jemals dazu
kommt, ist trotz aller Vorstöße fraglich.

Woher stammt das Vermögen der russischen Oligarchen?

Die Anfänge ihres Reichtums gehen meist auf die 1990er Jahre zurück.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden die zuvor staatseigenen
Betriebe privatisiert. Zum Konzept der Reformer unter Präsident Boris
Jelzin gehörten Wert-Schecks, die an Bürger verteilt wurden und bei
Privatisierungs-Auktionen eingesetzt werden konnten. Doch aus der
Idee eines «Volks von Eigentümern» wurde nichts, unter anderem weil
findige Geschäftsleute in großem Stil Wertschecks zusammenkauften.
Nach einer zum Teil von viel Gewalt begleiteten Umverteilung landete
die Kontrolle über Großbetriebe lukrativer russischer Industrien -
Stahl, Metalle, Düngemittel - bei einer Handvoll Unternehmer. So
wurden sie auch Oligarchen genannt, von Oligarchie, dem
altgriechischen Begriff für die Herrschaft weniger.

Wie ist das Verhältnis zwischen den Oligarchen und dem Kreml?

Die Oligarchen mögen Milliarden, Superjachten und Privatjets haben -
aber Präsident Wladimir Putin und russische Behörden haben die Macht,
ihnen das alles zu nehmen. So war Michail Chodorkowski vor rund zwei
Jahrzehnten Ölmilliardär und der reichste Mann Russlands. Im Jahr
2003 wurden ihm unter anderem Betrug und Steuerhinterziehung
vorgeworfen, und er verbrachte rund ein Jahrzehnt im Gefängnis, bevor
er 2013 von Putin begnadigt wurde. Chodorkowski, der sich selbst als
politischen Gefangenen bezeichnete, kündigte an, sich fortan aus
Politik und Wirtschaft fernzuhalten.

In einem frischeren Fall kritisierte Milliardär Oleg Tinkow den Krieg
in der Ukraine und war anschließend nach seinen Angaben unter
Verstaatlichungs-Drohungen gezwungen, seinen Anteil an der
Tinkoff-Bank zu einem Bruchteil des Werts zu verkaufen. Der Käufer:
Nickel-Milliardär Wladimir Potanin.