EuGH: Verarbeiten von Fluggastdaten nur in engen Grenzen möglich

21.06.2022 12:39

Adresse, Telefonnummer, Gepäckangaben - Daten wie diese werden beim
Fliegen häufig verarbeitet. Das soll vor allem im Kampf gegen
Terrorismus helfen. Doch gehen manche EU-Staaten dabei zu weit?

Luxemburg (dpa) - Das Verarbeiten von Fluggastdaten durch die
EU-Staaten muss nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs auf
das für den Kampf gegen Terror absolut Notwendige beschränkt werden.

Zudem machte das europäische Höchstgericht in dem Urteil vom Dienstag
deutlich, dass die Verarbeitung der Daten bei Flügen innerhalb der EU
gegen EU-Recht verstoße, sofern keine Terrorgefahr bestehe
(Rechtssache C-817/19).

Die sogenannte PNR-Richtlinie (Passager Name Record) der Europäischen
Union sieht vor, dass Fluggastdaten bei der Überschreitung einer
EU-Außengrenze in großer Zahl systematisch verarbeitet werden. So
sollen terroristische Straftaten und andere schwere Kriminalität
verhindert und aufgedeckt werden. Zu den gespeicherten Daten gehören
etwa Anschrift, Gepäckangaben, die Telefonnummer und die Namen der
Mitreisenden.

Die belgische Menschenrechtsorganisation Ligue des droits humains
(Liga für Menschenrechte) klagte dagegen, wie Belgien die EU-Regeln
umsetzt. Sie sieht unter anderem das Recht auf Achtung des
Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten verletzt. Zudem
würden durch die Ausdehnung des Systems auf Flüge innerhalb der EU
und auf die Beförderung mit anderen Verkehrsmitteln als dem Flugzeug
indirekt wieder Grenzkontrollen eingeführt.

Nach belgischem Recht sind Flug-, Bahn- Bus-, Fähr- und
Reiseunternehmen dazu verpflichtet, die Daten ihrer Passagiere, die
über die Landesgrenzen hinaus unterwegs sind, an eine Zentralstelle
weiterzugeben, in der unter anderem Polizei und Geheimdienste
vertreten sind. Das Urteil in dem belgischen Fall muss nun ein
nationales Gericht treffen. Nach dem Richterspruch des EuGH dürften
die belgischen Regeln jedoch gegen EU-Recht verstoßen.

Gleiches dürfte für die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie gelten,
da Deutschland die Regeln auf alle innereuropäischen Flüge
ausgeweitet hat. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden und das Amtsgericht
Köln legten dem EuGH 2020 Fragen zur PNR-Richtlinie vor. Auch hier
soll der EuGH unter anderem klären, ob die Richtlinie mit
Grundrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens und dem
Schutz personenbezogener Daten vereinbar ist.

Mit Blick auf den belgischen Fall stellt der EuGH nun zunächst einmal
fest, dass die Richtlinie mit den relevanten Teilen der
europäischen Grundrechte-Charta in Einklang stehe. Zugleich betont
der Gerichtshof, dass die Regeln fraglos einen schwerwiegenden
Eingriff etwa in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
sowie den Schutz personenbezogener Daten darstellten.

Die Befugnisse unter der Richtlinie müssen nach Ansicht des EuGH eng
ausgelegt werden. Dann könne die Übermittlung, Verarbeitung und
Speicherung der fraglichen Daten auf das im Kampf gegen Terror und
schwere Kriminalität absolut Notwendige beschränkt angesehen werden.

Dies bedeute, dass sich das durch die PNR-Richtlinie eingeführte
System nur auf die im Anhang der Richtlinie genannten Informationen
erstrecken dürfe. Auch müsse das System auf terroristische Straftaten
und schwere Kriminalität mit einem objektiven Zusammenhang mit der
Beförderung von Fluggästen beschränkt sein. Straftaten, die zwar in
der Richtlinie genannt werden, aber in dem jeweiligen EU-Land unter
gewöhnliche Kriminalität fallen, dürften nicht dazugehören.

Zudem müsse die Ausdehnung des Systems auf einen Teil oder alle
EU-Flüge auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Die
PNR-Richtlinie dürfe nur dann auf alle EU-Flüge angewandt werden,
wenn ein Land mit einer terroristischen Bedrohung konfrontiert sei.
Grundsätzlich betont der EuGH, dass die Richtlinie nicht dazu genutzt
werden dürfe, die Grenzkontrollen zu verbessern und den Kampf gegen
illegale Einwanderung zu stärken.