Klimaschutz: EU-Parlament einigt sich auf ehrgeizigere Ziele

22.06.2022 19:21

Mit dem EU-Emissionshandel sollen Firmen zu mehr Klimaschutz gedrängt
werden. Nun gibt es im EU-Parlament einen Kompromiss, dieses
Instrument zu schärfen. Doch das mühsam ausgehandelte Ergebnis sehen
manche schon fast als Verrat am Kampf gegen die Erderhitzung.

Brüssel (dpa) - Das Europaparlament hat sich nach monatelangen
Diskussionen auf Vorschläge für einen strengeren Klimaschutz
geeinigt. Unter anderem soll die kostenlose Vergabe von Zertifikaten
für CO2-Emissionen ab 2027 nach und nach auslaufen, und dann ab 2032
ganz entfallen. Auch soll der Emissionshandel nach der Einigung vom
Mittwoch auf Gebäude und den Verkehr ausgeweitet werden - zunächst
aber nur bei gewerblicher Nutzung. Beim Emissionshandel (ETS) müssen
bestimmte Industrien für den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie CO2
bezahlen.

Die Vorhaben müssen aber noch mit den EU-Ländern abgestimmt werden.
Diese wollen kommende Woche über ihre Position sprechen, erst wenn es
dort eine Einigung gibt, können beiden Institutionen untereinander
Verhandlungen aufnehmen. Die Vorschläge zum Klimaschutz waren von der
EU-Kommission bereits vergangenen Sommer vorgelegt worden.

Die weltweiten Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase müssen
Forschern zufolge schon bis 2030 um 45 Prozent sinken. Anders ist
demnach das gemeinsame Ziel nicht zu erreichen, die Erderwärmung auf
1,5 Grad zu begrenzen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Harsche Kritik kam von der Umweltschutzorganisation WWF, dem die
Vorschläge nicht weit genug gehen. Die Parlamentarier hätten Klima
und Bürger im Stich gelassen. Das Parlament sei mitschuldig an der
Aushöhlung des mächtigsten Instruments der EU, um die Industrie zum
Abschied von Öl, Gas und Kohle zu bewegen. Die Umweltorganisation
Germanwatch teilte mit, insgesamt sei das Ergebnis ein zu kleiner
Schritt.

Europaabgeordnete verteidigten hingegen die Entscheidung.
«Diejenigen, die denken, sie könnten alte Dreckschleudern immer
weiterlaufen lassen, müssen den Druck spüren, um die notwendigen
Veränderungen durchzuführen», sagte der CDU-Politiker Peter Liese.
Der Kompromiss sei eine gute Balance zwischen dem Schutz des Klimas
und dem Schutz von Arbeitsplätzen.

Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss sprach davon, dass zwar einige
Stellschrauben beim Klimaschutz angezogen worden seien. Das Ziel, die
Erderwärmung auf nicht mehr als 1,5 Grad zu begrenzen, werde so aber
nicht eingehalten. Liese betonte, dass es mit Blick auf dieses Ziel
auch vor allem darauf ankomme, weltweit Staaten von ambitionierten
Klimaschutzzielen zu überzeugen.

Geteiltes Echo gab es aus der Industrie. «Mit der Zustimmung zur
Ausweitung des Emissionshandels hat das EU-Parlament eine wichtige
und richtige Entscheidung getroffen», sagte etwa Hildegard Müller vom
Verband der Automobilindustrie. Der Verband der Chemischen Industrie
(VCI) befürchtet, dass eine Transformation der Branche behindert
statt gefördert werde. Enttäuscht zeigte sich auch der Bundesverband
der Deutschen Luftverkehrswirtschaft.

Die Einigung wurde von Christ- und Sozialdemokraten sowie den
Liberalen im Europaparlament ausgehandelt, aber auch von Grünen
getragen. Vor zwei Wochen war im Parlament ein erster Vorschlag zu
dem Thema gescheitert. Aus Sicht des SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken
hätte dieser den Emissionshandel entscheidend verwässert.

Das Parlament sprach sich zudem dafür aus, einen Klimasozialfonds und
eine Art CO2-Zoll an den EU-Außengrenzen einzurichten. Mit dem
CO2-Zoll soll verhindert werden, dass günstigere Produkte, die aber
klimaschädlicher im Ausland hergestellt wurden, zum Problem für
EU-Unternehmen werden.

Zusätzlich zu den von der Kommission vorgeschlagenen Produkten wie
Eisen, Stahl, Zement und Dünger möchte das Parlament die Abgabe auch
auf Kunststoffe, Wasserstoff und Ammoniak ausweiten, wie aus einer
Mitteilung des Parlaments hervorgeht.

Durch den Klimasozialfonds sollen Bürgerinnen und Bürger entlastet
werden, da durch mehr Klimaschutz auch höhere Kosten für Verbraucher
erwartet werden. Im Gegensatz zur ETS-Einigung zeigten sich hier
sowohl Sozialdemokraten, Grüne als auch CDU fraktionsübergreifend
zufrieden.

«Zum ersten Mal in der Geschichte werden wir einen Fonds haben, der
speziell Energie- und Mobilitätsarmut entgegenwirkt», teilte die
Grünen-Politikerin Katrin Langensiepen mit. Ihr CDU-Amtskollege
Dennis Radtke betonte: «Bis 2027 stehen dafür mindestens 32,78
Milliarden Euro zur Verfügung.» Ab 2028 bestehe die Möglichkeit, dass

ein Gesamtvolumen von 144,4 Milliarden Euro erreicht werden könne.
Wölken betonte in diesem Zusammenhang, dass Menschen mit geringem
Einkommen deutlich weniger Treibhausgase ausstießen, aber von höheren
Preisen auf Emissionen stärker betroffen seien.