Experte: London auf Kollisionskurs mit Menschenrechtskonvention

23.06.2022 09:21

London (dpa) - Die geplante Gesetzgebung der britischen Regierung zur
Europäischem Menschenrechtskonvention ist nach Ansicht eines Experten
«völkerrechtlich höchst problematisch». Der am Mittwoch vorgelegte

Gesetzentwurf des sogenannten Bill of Rights verringere den Schutz
durch die Konvention im britischen Recht und beschränke den Einfluss
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,
sagte der Rechtswissenschaftler Holger Hestermeyer vom Londoner
King's College der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. «Beides
setzt das Vereinigte Königreich auf einen Kollisionskurs mit der
Europäischen Menschenrechtskonvention.»

Die Regierung von Premier Boris Johnson will Menschen von der
illegalen Einreise in kleinen Booten über den Ärmelkanal abhalten,
indem sie ihnen den Zugang zu einem Asylverfahren in Großbritannien
verweigert. Stattdessen sollen die Migranten nach Ruanda geschickt
werden und dort Asyl beantragen. Einen ersten Flug mit Asylsuchenden
nach Ruanda hatte der zum Europarat gehörende Gerichtshof mit Sitz in
Straßburg vergangene Woche nun aber per einstweiliger Verfügung
gestoppt. Britische Gerichte hatten das zuvor in allen Instanzen
abgelehnt.

Dem britischen Justizminister Dominic Raab zufolge soll das nun
geplante Gesetz sicherstellen, dass der britische Supreme Court in
Menschenrechtsfragen künftig das letzte Wort hat. Zudem solle es auch
dafür sorgen, dass einstweilige Verfügungen des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte in Großbritannien nicht mehr bindend
seien.

Der Gesetzentwurf ist Hestermeyer zufolge auch «schwer in Einklang zu
bringen» mit den Bestimmungen des als Karfreitagsabkommen
bezeichneten Friedensschlusses in der früheren Bürgerkriegsprovinz
Nordirland, das der Konvention eine bedeutende Rolle zuerkenne.