Ukraine EU-Kandidat, doch Russland rückt vor - Die Nacht im Überblick
24.06.2022 05:26
Die Freude der Ukraine über eine EU-Perspektive wird getrübt von
weiteren russischen Vorstößen bei Kämpfen im Osten des Landes. Im
Folgenden ein Überblick zum Geschehen in der Nacht und ein Ausblick
auf den Tag.
Kiew (dpa) - Die Ukraine kann sich als frischgebackener
EU-Beitrittskandidat Hoffnungen auf eine Zukunft im gemeinsamen
Europa machen. Zugleich aber wird die militärische Lage im östlichen
Gebiet Luhansk für die ukrainische Armee immer brenzliger. Russische
Truppen kämpfen sich vor und versuchen, die strategisch wichtige
Stadt Lyssytschansk einzukesseln. Aus den USA kommen zusätzliche
wichtige Waffen wie Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesysteme und
Patrouillenboote.
Selenskyj: EU-Kandidatenstatus für Ukraine historisch
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj würdigte den
EU-Kandidatenstatus für sein Land als einen historischen Moment. «Die
Zukunft der Ukraine liegt in der EU», betonte er nach der
Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der EU beim Gipfel in
Brüssel. Zugleich sei dies aktuell der größte mögliche Schritt zur
Stärkung Europas, «während der russische Krieg unsere Fähigkeit auf
die Probe stellt, Freiheit und Einheit zu wahren.
Selenskyj hatte sich in den vergangenen Monaten massiv für eine
Beitrittsperspektive starkgemacht. Er bekräftigte nun in seiner
täglichen Videoansprache, dass die Ukraine in der Lage sei, ein
vollwertiges EU-Mitglied zu werden.
Russische Truppen stoßen bis an Stadtrand von Lyssytschansk vor
Im Osten der Ukraine drangen russische Truppen nach ukrainischen
Angaben bis an den Stadtrand der Großstadt Lyssytschansk vor. «Unsere
Kämpfer haben den Vorstoß in Richtung der südlichen Ränder von
Lyssytschansk aufgehalten, dem Feind Verluste zugefügt und ihn zum
Rückzug gezwungen», hieß es am Donnerstagabend im Lagebericht des
Generalstabs in Kiew. Die russische Armee ziehe nun Reserven heran.
Lyssytschansk ist die letzte größere Stadt im Gebiet Luhansk, die
völlig unter ukrainischer Kontrolle steht. Die Zwillingsstadt
Sjewjerodonezk auf der anderen Seite des Flusses Siwerskyj Donez ist
größtenteils von russischen Truppen erobert.
Am Donnerstagmorgen wurde bekannt, dass südlich von Lyssytschansk
eine ukrainische Gruppierung in den Ortschaften Solote und Hirske
eingekesselt ist. Am Abend teilte das ukrainische Militär mit, dass
die russischen Truppen Hirske inzwischen teilweise erobert hätten.
Dem Bericht zufolge konnten sie den Kessel komplett schließen.
USA sagen Ukraine weitere Waffen für 450 Millionen Dollar zu
Die USA kündigten weitere Waffenlieferungen an die Ukraine im Umfang
von 450 Millionen Dollar (etwa 428 Millionen Euro) an. Dazu gehörten
auch Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesysteme und Patrouillenboote,
sagte ein hochrangiger Vertreter des Weißen Hauses, John Kirby. Die
USA haben dem von Russland angegriffenen Land in den bisherigen vier
Kriegsmonaten nach eigenen Angaben Waffen und Ausrüstung im Wert von
rund 6,1 Milliarden Dollar zugesagt oder bereits geliefert. Die
Regierung in Kiew bittet um mehr moderne Waffen, um die militärische
Überlegenheit russischer Truppen einzudämmen.
Weißes Haus: G7-Gipfel soll Russland weiter isolieren
US-Präsident Joe Biden reist an diesem Samstag zum G7-Gipfel, der von
Sonntag bis Dienstag im Schloss Elmau in Bayern stattfindet. Kirby
nannte als Ziele des Gipfels, «Russland weiter von der Weltwirtschaft
zu isolieren, die russische Rüstungslieferkette ins Visier zu nehmen
und weiter gegen die Umgehung dieser beispiellosen Sanktionen
vorzugehen». Nach dem G7-Treffen reist Biden zu einem Nato-Gipfel
nach Madrid. Auch dort wird der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt stehen.
Nike kündigt Rückzug aus Russland an
Der weltgrößte Sportartikelkonzern Nike will sich angesichts des
andauernden Krieges gegen die Ukraine komplett aus Russland
zurückziehen. «Nike hat die Entscheidung getroffen, den russischen
Markt zu verlassen», teilte das US-Unternehmen mit. Priorität habe
nun, die Beschäftigten vor Ort zu unterstützen, während der Betrieb
in den kommenden Monaten heruntergefahren werde. Der
Adidas-Konkurrent hatte seine Geschäfte in Russland - wie viele
andere westliche Unternehmen - bereits nach dem Einmarsch in die
Ukraine deutlich eingeschränkt. Inzwischen wollen immer mehr Firmen
Russland ganz den Rücken kehren.
Das wird am Freitag wichtig
Beim EU-Gipfel werden die hohe Inflation und steigende Energiepreise
zum Thema, die zu den Folgen des russischen Angriffskrieges in der
Ukraine gehören.
Die militärische Lage rund um Lyssytschansk wird weiter im
Mittelpunkt stehen, weil Russland dort den Weg zur Kontrolle über das
gesamte Gebiet Luhansk freimachen könnte.
Kurz vor dem G7-Gipfel rückt die Bundesregierung bei einer Konferenz
in Berlin die weltweite Ernährungslage und die Suche nach Lösungen
für blockierte Getreideausfuhren aus der Ukraine in den Blick.