Taiwan und USA kritisieren Eskalation durch China - Ärger für Berlin?

05.08.2022 06:00

Chinas militärische Machtdemonstration vor Taiwan hat international
heftige Kritik ausgelöst. Die Manöver wurden als Überreaktion auf den

Besuch der US-Spitzenpolitikerin Pelosi verurteilt. Auch deutsche
Abgeordnete planen eine Reise nach Taiwan. Wie wird Peking reagieren?

Taipeh/Peking/Berlin (dpa) - Die USA und Taiwan haben China eine
«unverantwortliche» Eskalation der Spannungen um die demokratische
Inselrepublik vorgeworfen und zur Zurückhaltung aufgerufen. Peking
seinerseits protestierte scharf gegen die Kritik auch durch die
G7-Gruppe der großen Industrienationen zusammen mit der Europäischen
Union. Für Deutschland, das gegenwärtig den G7-Vorsitz innehat, steht
weiterer Ärger ins Haus: Der Menschenrechtsausschuss des Bundestags
plant für Ende Oktober eine Reise nach Taiwan, wie die Deutsche
Presse-Agentur von mehreren Abgeordneten erfuhr.

Die kommunistische Führung lehnt solche offiziellen Kontakte zu
Taiwan ab, weil sie die Insel für sich beansprucht. Peking sieht das
selbst regierte Taiwan als Teil der Volksrepublik an und droht mit
einer Eroberung. Die 23 Millionen Taiwaner hingegen verstehen sich
als unabhängig. Als Reaktion auf die Visite der Vorsitzenden des
US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan hatte China am
Dienstag großangelegte Manöver gestartet. Es war die ranghöchste
Visite aus den USA seit einem Vierteljahrhundert.

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen nannte die Manöver und
Raketenübungen «unverantwortlich». In einer Videoansprache forderte
die Präsidentin die chinesische Führung nachdrücklich zur Vernunft
und Zurückhaltung auf. Taiwan werde die Spannungen nicht eskalieren,
sondern wolle den Status quo bewahren.

Die Präsidentin dankte der G7-Gruppe der sieben führenden
Industrienationen, zu der auch die Europäische Union gehört, für
deren Unterstützung. Die G7 hatte ihre Sorge geäußert und betont, es

gebe keinen Grund dafür, einen Besuch als Vorwand «für aggressive
militärische Aktivitäten» zu benutzen. In Peking wurden Botschafter
der EU-Länder und der EU-Vertreter ins Außenministerium zitiert, wo
ihnen ein formeller Protest gegen die G7-Erklärung übergeben wurde.

Weitere Verstimmungen werden durch den länger geplanten Besuch des
Menschenrechtsausschusses des Bundestages in Taiwan erwartet. Die
Reise soll zwischen dem 22. und 30. Oktober stattfinden und neben
Taiwan auch nach Japan und in die chinesische Sonderverwaltungsregion
Hongkong gehen, wie dpa von Abgeordneten erfuhr. An der Reise werden
voraussichtlich Abgeordnete aller sechs Fraktionen teilnehmen.

Proteste Chinas wären für den CDU-Politiker Michael Brand kein Grund,
von der Reise Abstand zu nehmen. Chinas Führung müsse acht geben,
«nicht nur noch zum Drohungen speienden Drachen» zu werden. Man werde
die Demokratien dieser Welt trotz aller Drohgebärden nicht im Stich
lassen - im Gegenteil: «Wenn wir uns selbst ernst nehmen, dann müssen
wir China endlich ernst nehmen und die Bedrohung zurückweisen.»

Die US-Regierung warf China eine Überreaktion und «bedeutsame
Eskalation» nach dem Taiwan-Besuch Pelosis vor. China habe
schätzungsweise elf ballistische Raketen in Richtung Taiwan
abgeschossen, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen
Sicherheitsrats, John Kirby, in Washington. Es sei unverantwortlich
von Peking, die Visite zum Vorwand genommen zu haben, seine
«provokativen militärischen Aktivitäten» zu verstärken.

Die bis Sonntag laufenden Manöver in sechs Meeresgebieten rund um die
Insel zielen auf eine See- und Luftblockade und dienen der
Vorbereitung auf eine mögliche Invasion. Es ist die bislang größte
Machtdemonstration Chinas seit Jahrzehnten. Taiwans Militär wollte
japanische Berichte nicht bestätigen, wonach Raketen auch über die
Insel geflogen seien. Japan protestierte dagegen, dass fünf
Raketengeschosse in Japans nahe gelegener ausschließlicher
Wirtschaftszone (AWZ) niedergegangen waren.

Bei den Manövern hatte China elf Raketen vom Typ «Dongfeng» (Ostwind)

gestartet, wie Taiwans Militär berichtete. Zudem seien 22 chinesische
Flugzeuge, darunter auch Kampfjets, allein am Donnerstag in Taiwans
Luftüberwachungszone (ADIZ) eingedrungen. Chinas Volksbefreiungsarmee
nannte die geübten «Präzisionsschläge» mit den Raketen einen voll
en
Erfolg und hob Warnungen wegen der Schießübungen für den See- und
Luftverkehr wieder auf, während die Manöver andauerten.

Japan und die USA wollen angesichts des Konflikts um Taiwan eng
zusammenarbeiten. Es sei wichtig, den Frieden und die Stabilität in
der Taiwanstraße zu wahren, sagten Japans Regierungschef Fumio
Kishida und die US-Spitzenpolitikerin Pelosi, am Freitag bei einem
Treffen in Tokio. Zum Abschluss ihrer Asienreise war Pelosi am
Vorabend in Tokio eingetroffen. Sie hatte zuvor Gespräche in
Singapur, Malaysia, Taiwan und Südkorea geführte.