Griechischer Premier Mitsotakis zum Abhörskandal: Habe nichts gewusst

08.08.2022 17:29

Der griechische Geheimdienst hört monatelang das Handy eines
führenden Oppositionspolitikers ab. Doch wer den Auftrag gab und
warum, bleibt unklar. Ein Abhörskandal erschüttert die bisher recht
reibungslos agierende Regierung.

Athen (dpa) - Nichts gesagt, nichts gesehen, nichts gehört - bei
einer Stellungnahme zum aktuellen Abhörskandal in Griechenland hat
sich Premier Kyriakos Mitsotakis am Montag ahnungslos gezeigt. «Das,
was passiert ist, mag gesetzmäßig gewesen sein, aber es war falsch.
Ich wusste davon nichts, und offensichtlich hätte ich so etwas auch
nie genehmigt», sagte er im Staatsfernsehen. Wer die mittlerweile
bestätigte Abhöraktion des Handys eines Oppositionspolitikers durch
den griechischen Nachrichtendienst EYP beauftragt hat und warum,
blieb damit weiter offen - und gab Nahrung für neue Spekulationen.

Die Reaktionen auf Mitsotakis kurze Ansprache ließen nicht lange auf
sich warten. Arrogant, reuelos und verlogen - so bezeichnete die
linke Oppositionspartei Syriza den konservativen Regierungschef und
forderte seinen Rücktritt. Noch vernichtender fiel das Urteil des
Abhör-Opfers selbst aus: «Mit seiner heutigen Erklärung zeigte sich
der Ministerpräsident erneut schuldlos, indem er das Narrativ eines
'Rechtsfehlers' bemüht, um eine Straftat zu rechtfertigen», ließ
Nikos Androulakis mitteilen. Das Handy des EU-Parlamentariers und
Chefs der sozialdemokratischen Partei Pasok war rund drei Monate lang
abgehört worden, wie in den vergangenen Wochen bekannt wurde.

Mitsotakis verwies in seiner Ansprache darauf, dass die politische
Verantwortung übernommen worden sei, indem sowohl der Chef des
Nachrichtendienstes als auch der Büroleiter des Premiers am Freitag
zurückgetreten seien. Nun müsse man den Untersuchungsausschuss des
Parlaments seine Arbeit machen lassen. Das jedoch ist frühestens im
September der Fall, denn derzeit befindet sich das griechische
Parlament in der Sommerpause.

Die vielen offenen Fragen befeuern Spekulationen, die Opposition
spricht bereits von einem «griechischen Watergate» - in Anlehnung an
die Watergate-Affäre während der Amtszeit des ehemaligen
republikanischen US-Präsidenten Richard Nixon.

So bleibt unklar, wer den Auftrag zur Abhöraktion überhaupt erteilt
hat - oder wer womöglich noch abgehört wurde. Der verantwortliche und
nun zurückgetretene Geheimdienstchef Panagiotis Kontoleon soll zu
Protokoll gegeben haben, er habe auf Wunsch ukrainischer und
armenischer Behörden gehandelt, die sich für Androulakis als
EU-Parlamentarier interessiert hätten. Das wiesen Vertreter beider
Länder umgehend zurück.

Der Skandal wirft einen tiefen Schatten auf die bisher recht
reibungslos verlaufene, dreijährige Amtszeit des konservativen
Premiers. Der als Technokrat bekannte Mitsotakis hat Griechenland
seit seinem Amtsantritt im Sommer 2019 nicht nur erfolgreich aus
einer fast zehnjährigen Finanzkrise geführt. Er steuert auch externe
Krisen wie die Konflikte mit dem Nachbarland Türkei und die
Corona-Pandemie mit ruhiger Hand. Darüber hinaus gelang es Athen
zuletzt, wieder Investoren und Unternehmen ins Land zu locken, auch
auf Basis einer sehr erfolgreichen Digitalisierungsstrategie. All das
könnte nun auf dem Weg zu den nächsten Wahlen, die planmäßig im Jul
i
2023 anstehen, in den Hintergrund geraten.