Medien unter Druck - EU-Kommission will mit neuem Gesetz gegensteuern

16.09.2022 13:40

Journalisten werden bedroht, die redaktionelle Freiheit wird
ausgehöhlt - die EU-Kommission sieht in vielen EU-Staaten
«besorgniserregende Trends». Ein neuer Gesetzesvorschlag soll die
«vierte Gewalt» besser schützen - und mit ihr die Demokratie.

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission will unabhängige Medien in Europa
besser vor staatlichem Einfluss schützen und die Medienvielfalt
stärken. Dazu stellte die Behörde am Freitag den Entwurf für ein
Medienfreiheitsgesetz vor. «Wir sehen viele besorgniserregende Trends
in Bezug auf die Medien in Europa», sagte EU-Kommissionsvize Vera
Jourova - und das sei nicht nur in ein oder zwei Ländern so.

Die Tschechin nannte mehrere Beispiele: Journalisten würden getötet
und ausgespäht, öffentlich-rechtliche Medien stünden unter
politischem Druck, bestimmte Medien würden bei der Vergabe
staatlicher Werbung bevorzugt und in einigen Ländern sei unklar, wer
die Medienunternehmen besitzt.

Wie dramatisch die Lage teils ist, macht auch ein Blick in die
Berichte der Europäischen Kommission über den Zustand des
Rechtsstaats in den EU-Staaten deutlich. Die Behörde bemängelt etwa,
dass in Ungarn ein Großteil staatlicher Werbung an regierungsnahe
Medien gehe und investigative Journalisten überwacht würden. In Polen
sei die Medienvielfalt bedroht und in Griechenland würden
Journalisten bedroht und angegriffen. In Slowenien sieht die
EU-Kommission ein «feindliches Umfeld» für Journalisten, auch in
Österreich würden Medienschaffende insbesondere während Protesten
bedroht und belästigt.

Zugleich nehme das Vertrauen in Medien ab und es gebe immer mehr
Desinformationen etwa aus Russland, sagte Jourova am Freitag. «Ich
hoffe, dass das Medienfreiheitsgesetz seinen Teil dazu beitragen
wird, das Vertrauen in die Medien wiederherzustellen.»

Konkret soll der Gesetzesvorschlag für mehr Transparenz und
Unabhängigkeit auf dem Medienmarkt sorgen. Die EU-Staaten müssen
demnach die redaktionelle Freiheit respektieren, Medien selbst müssen
Informationen zu Besitzverhältnissen öffentlich machen. Zudem sind
Maßnahmen gegen das Ausspähen von Journalisten vorgesehen.
Öffentlich-rechtliche Medien müssten ausreichend finanziert und
staatliche Werbung transparent vergeben werden. «Die
öffentlich-rechtlichen Medien dürfen nicht zu einem Propagandakanal
einer Partei werden», sagte Jourova.

Außerdem sollen die nationalen Aufsichtsbehörden in einem neuen
Ausschuss für Mediendienste auf EU-Ebene zusammenarbeiten. Dieser
soll unter anderem Stellungnahmen zu nationalen Entscheidungen
abgeben, die sich auf den Medienmarkt auswirken.

Der Medienverband der freien Presse (MVFP) und der Bundesverband
Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) sehen in diesem
Ausschuss eine Gefahr für die redaktionelle Freiheit der
Verlegerinnen und Verleger und somit für die Pressefreiheit. Der
Deutsche Journalisten-Verband hält diese Position dagegen für
überzogen. Der Vorschlag der EU-Kommission enthalte richtige Ansätze,
um das Grundrecht der Pressefreiheit europaweit zu stärken, hieß es.

Als nächstes müssen nun die EU-Staaten und das Europaparlament über
die Vorschläge verhandeln. EU-Kommissionsvize Jourova rechnet mit
teils großem Widerstand aus den EU-Staaten. Es sei jedoch wichtig,
dass das Medienfreiheitsgesetz möglichst schnell in Kraft trete. Die
Demokratie funktioniere nur, wenn Journalisten die Mittel und den
notwendigen Schutz hätten, um die Mächtigen zu kontrollieren.