EuGH kippt Vorratsdatenspeicherung - Forderungen nach neuen Regeln

20.09.2022 14:06

Für die Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung gibt es
viel Zustimmung, gerade Grüne und FDP fühlen sich durch das Urteil
bestätigt. Viele sehen darin aber auch einen Arbeitsauftrag für die
Ampel-Koalition.

Luxemburg (dpa) - Nach dem Urteil des obersten EU-Gerichts zur
deutschen Vorratsdatenspeicherung fühlen sich FDP und Grüne in ihrer

Position bestätigt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte am
Dienstag, dass die derzeit ausgesetzte Regelung zur
Vorratsdatenspeicherung mit dem EU-Recht unvereinbar ist (C-793/19
und C-794/19). Justizminister Marco Buschmann (FDP) bezeichnete die
Entscheidung als historisch und sprach von einem «guten Tag für die
Bürgerrechte».

«Wir werden die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und
endgültig aus dem Gesetz streichen», twitterte er am Dienstag nach
der Urteilsverkündung. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei
«eine erneute herbe Klatsche» für die Befürworter der anlasslosen
Speicherung von Daten, denen es bis heute nicht gelungen sei, eine
verfassungskonforme Regelung vorzulegen, hieß es von der
Grünen-Bundestagsfraktion. Anstatt über immer neue
Eingriffsbefugnisse zu diskutieren, müsse jetzt endlich eine
«Überwachungsgesamtrechnung» auf den Weg gebracht werden.

Ob sich die gesamte Ampel dabei so einig ist, bleibt abzuwarten.
SPD-Innenministerin Nancy Faeser zeigte sich zuletzt offen für
stärkere Befugnisse der Sicherheitsbehörden.

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz
(CSU), forderte die Bundesregierung auf, jetzt zügig einen
Gesetzentwurf vorzulegen. «Das Urteil lässt eine befristete Pflicht
zur Speicherung von IP-Adressen zur Bekämpfung von sexuellem
Kindesmissbrauch zu», sagte die Rechtspolitikerin.

Das oberste EU-Gericht hatte am Dienstag entschieden, dass die
Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht ohne Anlass
gespeichert werden dürften. Eine gezielte und zeitlich begrenzte
Speicherung der Daten sei nur bei einer ernsten Bedrohung für die
nationale Sicherheit möglich. Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität
könne auch eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sein.

Die deutsche Regelung kann nach Ansicht der Richter sehr genaue
Schlüsse auf das Privatleben der Personen ermöglichen - etwa auf
Gewohnheiten des täglichen Lebens oder das soziale Umfeld. Damit
könne ein Profil dieser Personen erstellt werden. Dies sei ein
Grundrechtseingriff, der eine gesonderte Rechtfertigung erfordere, so
die Richter. Der EuGH bleibt damit seiner Linie treu. Das höchste
EU-Gericht hatte in den vergangenen Jahren immer wieder nationale
Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung gekippt oder stark
eingeschränkt.

Die SpaceNet AG, die die Klage angestrengt hatte, begrüßte das
Urteil: «Nach sechs Jahren Verfahren sind wir froh, dass das Thema
Vorratsdatenspeicherung endlich geklärt ist. Jetzt herrscht wieder
Rechtssicherheit für die Internetbranche, unsere Kunden und alle
Bürger», sagte der Vorstand der SpaceNet AG, Sebastian von Bomhard.

Auch der Digitalverband Bitkom zeigte sich erfreut: «Es macht keinen
Sinn, sich weiterhin an diesem Instrument der anlasslosen Speicherung
von Verbindungsdaten abzuarbeiten. Die Politik ist aufgefordert,
andere, und zwar gesetzeskonforme Möglichkeiten der digitalen
Forensik zu nutzen», teilte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder
mit.

Bei den Beratungen der Ampel-Regierung über eine Nachfolgeregelung
zur Vorratsdatenspeicherung müssten zwei Dinge berücksichtigt werden,
forderte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen
Kopelke: In welchem Umfang Daten an die Ermittlungsbehörden übergeben
würden, dürfe nicht im Ermessen der Telekommunikationsanbieter
liegen. Außerdem schränke eine kurze Speicherdauer den Nutzen
drastisch ein. Er sagte: «Eine rechtskonforme und im polizeilichen
Alltag funktionierende Speicherung von Verkehrsdaten ist gleichsam
praktizierter Opferschutz und optimierte Strafverfolgung.»