Von der Leyen schlägt neues EU-Sanktionspaket samt Ölpreisdeckel vor

28.09.2022 17:03

Scheinreferenden, Teilmobilmachung, Atomdrohung - Russland eskaliert
den Krieg gegen die Ukraine. Die EU will sich mit neuen Sanktionen
entschlossen dagegenstellen. Die Kommissionschefin legt ein Paket
vor.

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für ein
weiteres Sanktionspaket gegen Russland wegen der Invasion in die
Ukraine vorgelegt. Das Paket enthalte unter anderem die
Rechtsgrundlage für einen Preisdeckel für Ölimporte aus Russland
sowie weitere Importbeschränkungen im Wert von sieben Milliarden
Euro, sagte Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Mittwoch in
Brüssel. Nun müssen die EU-Staaten über den Vorschlag verhandeln un
d
einstimmig darüber entscheiden.

Der Vorschlag für neue Strafmaßnahmen ist auch eine Reaktion auf die

russische Teilmobilmachung im Krieg gegen die Ukraine sowie die
Scheinreferenden in von Russland besetzten ukrainischen Gebieten. «In
der vergangenen Woche hat Russland in seinem Angriffskrieg auf die
Ukraine einen weiteren Schritt in Richtung Eskalation unternommen»,
sagte von der Leyen. «Wir akzeptieren weder die Scheinreferenden noch
irgendeine Art von Annexion in der Ukraine.» Der EU-Außenbeauftragte
Josep Borrell rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, die
Abstimmungen ebenfalls nicht anzuerkennen.

Die EU selbst hat bereits beschlossen, dass ab dem 5. Dezember kein
russisches Rohöl mehr über den Seeweg in die Europäische Union
eingeführt werden darf. Darüber hinaus verständigte sich die
G7-Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien im Grundsatz auf eine
Preisobergrenze für russisches Öl, die auch für Drittstaaten gelten
soll. Ziel ist, dass Russland weltweit weniger an seinem Öl verdient.
So soll Moskau dazu gezwungen werden, Öl künftig für einen deutlich
niedrigeren Preis an große Abnehmer wie Indien zu verkaufen.

Den G7-Plänen zufolge soll der Seetransport von Erdölprodukten und
Rohöl aus Russland weltweit nur noch möglich sein, wenn das Öl unter

einem bestimmten Preis gekauft wurde. Ein konkretes Limit dafür gibt
es bislang nicht. Funktionieren könnte dies, indem wichtige
Dienstleistungen wie Versicherungen für Öltransporte an die
Einhaltung der Regel geknüpft werden.

«Diese Ölpreisobergrenze wird einerseits dazu beitragen, Russlands
Einnahmen zu verringern, und andererseits die globalen Energiemärkte
stabil halten», sagte von der Leyen nun. Länder wie Ungarn, Zypern
und Griechenland hatten sich zuletzt gegen einen solchen Preisdeckel
gestemmt. Zypern und Griechenland haben große Tankerflotten, die Öl
transportieren.

Zu den weiteren Sanktionsvorschlägen vom Mittwoch gehört von der
Leyen zufolge auch ein Verbot für EU-Bürger, Sitze in Führungsgremien

russischer Staatsunternehmen einzunehmen. Dafür hatte sich vor allem
Berlin eingesetzt, nachdem Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) lange
Aufsichtsratschef des russischen Ölkonzerns Rosneft gewesen war.

Zudem soll es nach dem Willen der EU-Kommission verboten werden,
bestimmte Schlüsseltechnologien nach Russland zu exportieren. Dazu
gehörten «Produkte für die Luftfahrt, elektronische Komponenten und
spezielle chemische Grundstoffe», sagte von der Leyen.

Um das Umgehen von Sanktionen zu erschweren, soll zudem eine Liste
mit Personen eingeführt werden, die dies bereits versucht haben. Dies
werde eine abschreckende Wirkung haben, sagte von der Leyen. Auch
sollen weitere Personen mit Einreiseverboten und Vermögenssperren
belegt werden.

Borrell zufolge soll dies etwa Vertreter russischer Behörden in den
Gebieten Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja treffen, die bei
der Durchführung der Scheinreferenden geholfen hätten. Zudem sollten
hochrangige Mitarbeiter des russischen Verteidigungsministeriums auf
die Sanktionsliste kommen.

Am Dienstag hatten die von Moskau eingesetzten Besatzungsverwaltungen
in den Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson nach den
als Völkerrechtsbruch kritisierten Urnengängen von großer Zustimmung

für einen Beitritt zu Russland gesprochen. Die Scheinreferenden, die
seit vergangenem Freitag unter großem internationalen Protest
insgesamt fünf Tage lang abgehalten worden waren, werden weltweit
nicht anerkannt, weil sie unter Verletzung ukrainischer und
internationaler Gesetze sowie ohne demokratische Mindeststandards
abgehalten wurden.