EU-Kommission warnt vor Risiken eines EU-weiten Gaspreisdeckels

29.09.2022 15:31

Mehr als die Hälfte der EU-Staaten pocht auf einen europäischen
Maximalpreis für Gas. Die EU-Kommission hat unter Druck nun
Vorschläge gemacht, warnt aber vor enormen Risiken.

Brüssel (dpa) - Die Europäische Kommission hat auf Druck vieler
EU-Länder hin neue Vorschläge für einen möglichen Gaspreisdeckel
gemacht - aber auch vor Risiken eines einheitlichen europäischen
Preises gewarnt. Die EU müsse zwar bereit sein, Maßnahmen
einzuführen, um die Preise zu begrenzen, heißt es in einem
Diskussionspapier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die
Festlegung einer angemessenen allgemeinen Obergrenze wäre aufgrund
der internen und globalen Marktdynamik jedoch ein schwieriges
Unterfangen mit Risiken für die Versorgungssicherheit. Es wird etwa
befürchtet, dass Drittstaaten weniger Gas liefern oder Gasflüsse
innerhalb der EU unterbrochen würden.

Das Risiko für die Versorgung sei zudem höher bei einem Preisdeckel
auf alle Verkaufstransaktionen, statt nur auf bestimmte Importe,
heißt es in dem Papier, das den EU-Staaten vorgelegt wurde. Konkret
schlägt die EU-Kommission daher vor, einen Maximalpreis nur für
russisches Gas festzulegen. Eine weitere Option sei es, den Preis von
Gas in der Stromproduktion zu deckeln, um auch den Preis von Strom zu
senken - Ähnliches haben Spanien und Portugal bereits eingeführt. Wie
genau das europaweit aussehen würde, geht aus dem Papier nicht im
Detail hervor.

EU-Energiekommissarin Kadri Simson betonte am Donnerstag, zuerst
müsse mit zuverlässigen Lieferanten von Pipeline-Gas verhandelt
werden. «Wenn das keine Ergebnisse bringt, dann ist ein Preisdeckel
möglich», so Simson. Zudem sagte sie, Russland sei kein zuverlässiger

Partner. «Ich glaube fest daran, dass wir eine Preisobergrenze für
alle russischen Gasimporte brauchen.»

Auf die Wünsche der EU-Staaten geht die Kommission somit nicht
richtig ein. Griechenland, Italien, Belgien, Frankreich und elf
andere Staaten hatten die EU-Kommission zuvor in einem Brief dazu
aufgefordert, einen Vorschlag für einen umfassenden Maximalpreis für
Gas vorzustellen. Dieser solle sich auf Gaslieferungen aus dem
Ausland beziehen - etwa Importe aus Russland und anderen Ländern -
aber auch auf Transaktionen an Großhandelsplätzen innerhalb der EU,
hieß es in dem Brief.

Die EU-Kommission warnte in ihrem Papier jedoch vor möglichen
negativen Maßnahmen eines Preisdeckels wie gefordert. Für einen
Preisdeckel am europäischen Großhandel - statt nur für Importe -
müsse ein zentralisiertes System geschaffen werden müsste, um den
Markt zu ersetzen und Gas zu rationieren und zuzuteilen. Das wäre
«beispiellos». Es gebe keine Organisation auf europäischer Ebene, die

das zur Zeit technisch regeln könne. Zudem seien «beträchtliche
finanzielle Mittel» notwendig, um Gas von außerhalb Europas
einzukaufen, falls es teurer als der Preisdeckel sei. Gleichzeitig
könnte ein Preisdeckel die Nachfrage nach dem bereits knappen Gas
weiter steigern.

Auch zuvor hat die EU-Kommission auf Vorschläge gesetzt, die den
Preismechanismus im Grunde bestehen lassen. So schlug sie vor,
zunächst die übermäßigen Gewinne von Öl- und Gaskonzernen sowie
vieler Stromproduzenten abzuschöpfen und mit dem Geld Verbraucher zu
entlasten, anstatt einen Maximalpreis festzulegen.

Am Freitag kommen die für Energie zuständigen EU-Minister zu einem
Sondertreffen in Brüssel zusammen, um die Maßnahmen zu besprechen. Es
wird erwartet, dass sie sich auf die Abschöpfung von sogenannten
Übergewinnen einigen. Auch der Gaspreisdeckel soll diskutiert werden.
Deutschland und andere Länder hatten sich dagegen ausgesprochen.

Die Brüsseler Denkfabrik Bruegel betonte in einer am Donnerstag
veröffentlichten Bewertung: Alle zur Debatte stehenden Optionen seien
mit erheblichen Risiken verbunden. Eine Obergrenze nur für russisches
Gas könnte zu einem vollständigen Stopp dieser Gaslieferungen in die
EU führen. Eine Obergrenze für Gas, das zur Stromerzeugung verwendet
werde, berge das Risiko zu einer höheren Gasnachfrage des
Stromsektors zu führen. Ähnlich sehe es bei einem Deckel für das
gesamte Großhandelsgas aus. Zudem könnte dies die Fähigkeit Europas
untergraben, dringend benötigte Gaslieferungen anzuziehen.