BGH zu Datenschutz: Verbraucherschützer dürfen auf Klagerecht hoffen

29.09.2022 17:18

Die Datenschutzgrundverordnung ist zwar ein Wortungetüm, schützt aber
wichtige Verbraucherrechte. Doch wer darf diese in Deutschland vor
Gericht einklagen? Der Bundesgerichtshof könnte hier bald mehr
Klarheit schaffen.

Karlsruhe (dpa) - Verbraucherschutzverbände dürften bald vom
Bundesgerichtshof (BGH) grünes Licht bekommen, wegen möglicher
Datenschutzverstöße von Unternehmen vor Gericht zu ziehen - auch wenn
es keine konkret Betroffenen gibt. Allerdings könnte es dafür
Bedingungen geben, zum Beispiel dass mutmaßlich geschädigte
Verbraucher auch identifizierbar sind. So kristallisierte es sich am
Donnerstag bei einer Verhandlung in Karlsruhe heraus, in der der
Verbraucherzentrale Bundesverband gegen Facebook vorgeht.

Der BGH will sein Urteil am 10. November sprechen (Az. I ZR 186/17).
Die Entscheidung zum Klagerecht von Verbänden sei wichtig für eine
«Fülle von Verfahren», die an Gerichten anhängig sind, sagte der
Vertreter der Verbraucherschützer, BGH-Anwalt Peter Wassermann.

Bei den im konkreten Fall angemahnten Verstößen geht es darum, dass
im «App-Zentrum» von Facebook kostenlose Spiele von Drittanbietern
präsentiert wurden, bei denen Nutzerinnen und Nutzer zumindest in der
Version 2012 per Klick auf «Sofort spielen» der Übermittlung
verschiedener Daten an den Spielebetreiber zugestimmt hätten. Bei
einem Spiel endeten die entsprechenden Hinweise mit dem Satz: «Diese
Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen
posten.» Gerichte in Berlin gaben den Verbraucherschützern Recht.

Der BGH-Anwalt von Facebook, Christian Rohnke, sagte, natürlich habe
die Beklagte diese Handhabe inzwischen geändert. «Wir sind zehn Jahre
weiter.» Laut dem Vorsitzenden Richter des ersten Zivilsenats, Thomas
Koch, hat Facebook zwischenzeitlich eine Erklärung abgegeben, darauf
zu verzichten. Um ein abschließendes Urteil über Klagerechte von
Verbraucherschutzverbänden in Deutschland unabhängig von betroffenen
Nutzern zu haben, wurde jedoch weiterverhandelt.

Der BGH hatte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Rat gefragt, ob
eine Klagebefugnis des Verbandes gegen die europäische
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoße. Die Richter in Luxemburg
entschieden im April, nach nationalem Recht berechtigte Verbände
könnten bei Datenschutzverstößen von Internet-Riesen anstelle der
Nutzer vor Gericht ziehen - auch ohne konkreten Auftrag Betroffener.

In zwei weiteren am Donnerstag verhandelten Fällen geht es um die
Frage, ob auch Mitbewerber eines Unternehmens - konkret Apotheker -
in Datenschutz-Fällen klageberechtigt sind. Hierzu hatte sich der
EuGH seinerzeit nicht geäußert. Eventuell stellt der Senat daher den
Kollegen in Luxemburg dazu noch Fragen. Über seine Entscheidung will
er am 12. Januar informieren. (Az. I ZR 222/19 u.a.)